Info-Verteiler
Die inhaltliche Auseinandersetzung suchen!
Wider den Revisionismus – für historisch-materialistische Analyse
Auf der verzweifelten Suche nach einem „revolutionären Subjekt“, das ihnen die lästige Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Materialismus erspart, landen die beiden scheinbar gegensätzlichen Strömungen, Antinationale/Antideutsche und Anti-Imps, beim gleichen Ergebnis: „Hoch die Bourgeoisie - Nieder das Proletariat!“ Während die erstere Strömung dem momentan stärksten imperialistischen Block (den USA) nachhechelt, verteidigt die letztere bedingungslos fallen gelassene Helfershelfer der imperialistischen Bourgeoisie, von Milosevic über Hussein bis zum früheren Geschäftspartner von G.W. Bush, Bin Laden. In unserer Reihe „Steigern wir unseren Beliebtheitsgrad bei Opportunisten jeglicher Couleur ins Bodenlose“ steht heute eine Kritik der Anti-Imp-Gruppe „Forum für Diskussion“ (im folgenden „FfD“ abgekürzt) auf dem Programm. Wir möchten diese Kritik ausdrücklich als Aufforderung zur inhaltlichen Diskussion verstanden wissen.
Wir beziehen uns in unserer Kritik auf die unter „www.discussion.uni.cc“ publizierten Texte, die vom FfD stammen. Das FfD konstatiert die Niederlage sämtlicher bisheriger revolutionärer Projekte in Westeuropa, folgert daraus, daß es Zeit für „etwas Neues“ sei und schlägt ein klassenübergreifendes Projekt zum Kampf gegendie USAvor:
„Die 90er Jahre brachten drei historische Entwicklungen an ihr Ende beziehungsweise an ihren Umschlag, die zusammengenommen einen qualitativen Wendepunkt in der Geschichte revolutionärer Politik seit 1945 darstellen: die Niederlage des bewaffneten Kampfes in den Metropolen, eine tiefgreifende Wandlung in den Kampfprozessen im Trikont und - obwohl im internationalen Kontext irrelevant, für unsere Problematik von signifikanter Bedeutung - das tendenzielle Ende der autonomen Bewegung in Mitteleuropa.“1
„Denn es ist wahr: unabhängig vom konkreten Willen der tragenden Subjekte in der US-Administration, unabhängig vom Willen der amerikanischen Bevölkerung, sind die USA als politischer Komplex zum derzeitigen Zeitpunkt als Hegemonialmacht der Knotenpunkt in der Stabilisation des imperialistischen Weltsystems. Jede Politik mit kommunistischer Perspektive hat sich im Widerspruch zu der in diesem Komplex und seinen ’besonderen Formationen bewaffneter Menschen’ (Engels) materialisierten Konter­revolution zu entwickeln. Die Macht dieses Komplexes zu brechen bedeutet auch, die Macht des Gesamtsystems samt seiner weiteren integralen Bestandteile, der nebensächlichen Imperialismen (von Europa bis Südostasien) zu brechen, getreu dem dialektischen Prinzip, das Hauptsächliche anzugreifen, um das Nebensächliche zu lösen.“2
Was hier, zusätzlich untermauert durch die Form (nämlich die Sprache), „radikal“, „revolutionär“, „neu“ daherkommt, entpuppt sich als alter Hut. Es handelt sich um die bislang letzte Abzweigung vom Weg zur sozialen Revolution in Richtung rechts, auch bekannt unter dem Schlagwort des Revisionismus.
Was meinen wir mit Revisionismus?
Der dem Kapitalismus, und damit auch dem Imperialismus zugrunde liegende Widerspruch ist der zwischen (gesellschaftlicher) Arbeit und (privatem) Kapital, was heißt, daß die arbeitenden Menschen den gesellschaftlichen Reichtum schaffen, die akkumulierenden Kapitalisten sich aber den von den Arbeitenden geschaffenen Mehrwert aneignen. Während die Arbeitenden gesellschaftlich (arbeitsteilig gemeinsam in weltweiten Produktionszusammenhängen) produzieren, bestimmen die Kapitalisten privat, wie und was produziert wird.
Die Lösung dieses Problems liegt in der Aufhebung des Widerspruchs zwischen Arbeit und Kapital, in der Zerschlagung der kapitalistischen Verhältnisse. Seit Bestehen dieses Widerspruchs rebellieren die arbeitenden Massen gegen dieses Verhältnis. Marx hat uns die Theorie geliefert, wie dieser Widerspruch zu verstehen und zu bekämpfen ist. Dazu gehört die Erkenntnis, daß das Kapital niemals freiwillig von der Bühne verschwinden wird. Diese Theorie wurde anhand der Weiterentwicklung der Produktionsverhältnisse sowie der Kampferfahrungen ebenfalls weiter entwickelt, in Rußland führte sie in der Praxis zur sozialen Revolution, wie später auch in China etc. Doch erlitt die kommunistische Bewegung auch immer wieder schwere Rückschläge.
Noch vor dem 1. Weltkrieg entwickelte sich der Klassenkampf auch innerhalb der sozialistischen Bewegung. Führende Mitglieder der Sozialdemokratie erklärten die Überwindung des Kapitalismus auf friedlichem Weg für möglich. Damit pervertierten sie den Marxismus zum Reformismus („das Glück liegt in den bürgerlichen Wahlen“). Konsequenterweise verrieten sie bei der erstbesten Gelegenheit auch noch den proletarischen Internationalismus (die Welt ist nicht geteilt in Länder, Nationen, Rassen etc., sondern in Arbeitende und Aneignende) und unterstützten an der Seite ihrer jeweiligen Herrschenden 1914 den Krieg zwischen den imperialistischen Mächten.
Diese Entstellung der marxistischen Theorie zu einer „Theorie der Klassenversöhnung“ bezeichnen wir als Revisionismus.
Auch in der sozialistischen Sowjetunion entwickelte sich der Klassenkampf innerhalb der kommunistischen Partei und die Revisionisten gewannen die Oberhand, spätestens für alle Welt sichtbar durch Chruschtschows Erklärung, fürderhin solle ein „friedlicher Wettstreit“ zwischen dem Imperialismus und dem sozialistischen Lager entscheiden, welches System das bessere sei.
Im sozialistischen China war es die „Drei Welten-Theorie“ Teng Hsiao Pings, die den Durchbruch der Revisionisten markierte. Diese Theorie erklärte die Welt aufgeteilt in die „1. Welt“ der Supermächte (USA und Sowjetunion), die „2. Welt“ (die restlichen imperialistischen Mächte) und die „3. Welt“ (die abhängigen Länder und die, die sich daraus befreiten).
Abgesehen von allen anderen Verwirrungen, die diese Theorie ausmachen, erklärten die chinesischen Herrschenden damit, daß die Welt nicht mehr geteilt ist in das Lager der Revolution (das Proletariat) und das der Konterrevolution (das Kapital), sondern daß es sich um einen Streit zwischen Mächten (egal ob sozialistisch, bürgerlich, imperialistisch) handle.
All das sind Erscheinungen von Revisionismus: unter dem Deckmantel „revolutionärer“ Politik wird Kapitulation gegen­über dem Klassenfeind, Verwirrung über die tatsächlichen Ver­hält­nisse etc. gestreut. Revisionismus ist also der Klassenfeind „im Inneren der Revolution“.
Wieso meinen wir, daß das FfD revisionistische Positionen vertritt?
Das FfD führt zwar – wenn auch selten genug – das Wort „kommunistisch“ im Mund, propagiert aber faktisch einen klassenübergreifenden Kampf gegen die USA (für Teng Hsiao Ping waren die USA übrigens Verbündete im Kampf gegen die SU, weil nach ihm die USA eine Supermacht am „absteigenden Ast“ waren, während die SU eine Supermacht am „aufsteigenden Ast“ waren):
„Denn der Kampf gegen unseren Feind wird schon geführt – auf politischer, militärischer und kultureller Ebene: von islamischen Kräften.“3
Daran ist unserer Meinung nach mehreres falsch. Was das Postulat des „einzigen Feindes“, nämlich der USA angeht:
Die USA werden als der Feind der Menschheit postuliert, während wir meinen, daß das Verhältnis von Arbeit und Kapital die gesamte menschliche Gesellschaft durchdringt, der Feind also überall auf der Welt vorzufinden ist. Entsprechend ist er auch überall auf der Welt zu bekämpfen.
Der Kampf gegen die kapitalistischen Verhältnisse heißt aber nicht nur, „die Kapitalisten“ physisch zu beseitigen. Wie wir gesehen haben, entwickeln sich unter bestimmten Bedingungen (siehe SU, siehe China) sehr rasch wieder ähnliche Verhältnisse. Unser Kampf muß die Verhältnisse beseitigen, er muß jedem Menschen die Befriedigung seiner Bedürfnisse ermöglichen. Der materiellen, aber auch der intellektuellen.
Nur Menschen, die imstande sind, selbst historisch-materialistisch zu analysieren, werden imstande sein, zu verhindern, daß Obskuranten sich mit ihren „Theorien“ durchsetzen. Der Kampf findet in erster Linie gegen die Verwirrung in unseren Köpfen statt.
Was den materiellen Kampf anlangt, so wird er überall stattfinden, wo die kapitalistischen Verhältnisse herrschen. Das heißt, in jedem Land müssen die Arbeitenden die Revolution machen. Und jedes Land, in dem revolutionäre Verhältnisse herrschen oder die Revolution sich durchsetzt, ist ein „Pluspunkt“ für die Weltrevolution.
Die Klassengegensätze innerhalb der USA werden ignoriert und nicht in die Überlegungen einbezogen. Für das FfD sind die USA ein „Komplex“, der angegriffen gehört. Damit verzichtet das FfD nicht nur auf die arbeitenden Klassen dieses riesigen Landes, sie erklärt sie sogar zum „Feind“.
In dieser Willkürlichkeit verfahren auch die Anti-Nationalen, die schlichtweg alle Deutschen (und am liebsten die deutschen, österreichischen ArbeiterInnen) zu „Feinden“ erklären.
Die anderen imperialistischen Länder werden nicht mehr als Feinde benannt. Indem das FfD alle Kräfte gegen die USA mobilisiert, ignoriert es die Notwendigkeit, jeglichen Imperialismus zu bekämpfen. Die KP Brasiliens machte gegenüber der Theorie Teng Hsiao Pings, daß die SU der Feind der Menschheit sei, geltend, daß ihr Land vor allem vom deutschen Imperialismus ausgesaugt werde, dicht gefolgt vom US-Imperialismus. Heute können wir etwa festhalten, daß der französische Imperialismus nach wie vor in Teilen Afrikas wütet, während der britische immer noch die Malvinen besetzt hält, der deutsche …
Wir wissen, daß die Imperialisten sich zwar rasch einig werden, wenn der Kapitalismus als System in Frage gestellt wird (gegen die revolutionäre Sowjetunion zogen Armeen dutzender Staaten in den Krieg), daß sie aber, wenn es um das Verteilen der Beute (die Aneignung von Märkten) geht, über einander herfallen.
Die Zerschlagung des US-Imperialismus, das große Ziel des FfD, führt nicht zwangsläufig zu Sozialismus. Eine Schwächung des US-Imperialismus ohne Revolution stärkt lediglich die anderen imperialistischen Staaten.
Vor allem aber läßt das FfD völlig außer acht, daß unser Kampf der um eine klassenlose Gesellschaft ist. Der Imperialismus ist die Form, die das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital angenommen hat: einige wenige Länder unterdrücken die große Mehrheit der Länder dieser Welt. Dahinter steckt aber immer noch, daß einige wenige Kapitalisten (multinationale Konzerne in der Epoche des Imperialismus) die gesamte Produktion, und damit die ProduzentInnen, die Arbeitenden, kommandieren, kontrollieren und ausbeuten.
Wenn wir dieses Verhältnis beenden möchten, so müssen fragen: Wer hat ein Interesse an der Beendigung der kapitalistischen Aus­beu­tungsverhältnisse? Wir beantworten diese Frage mit: alle, die „nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft“, haben ein objektives Interesse daran. Diejenigen, die andere ausbeuten, aber aufgrund der kapitalistischen Konkurrenz bedroht sind, bankrott zu machen und sich als Proletarier wieder zu finden, sind mögliche, aber unsichere Bündnispartner.
Das FfD stellt andere Fragen. Es fragt: Wer ist der Böseste auf der ganzen Welt? Und kommt zum Schluß: es sind die USA. Die nächste Frage lautet, wer bekämpft die USA derzeit am stärksten? Und das FfD beantwortet diese Frage mit: der politische Islam. Und deshalb ist der politische Islam für das FfD die „Avantgarde“ im „revolutionären Kampf“.
Offensichtlich ist bereits der Ausgangspunkt des FfD ein anderer als unserer. Der unsere ist der historische Materialis­mus, der besagt, daß die Verhältnisse Produktionsverhältnisse sind. Aufgrund der Entwicklung der Produktivkräfte ist für alle Menschen ein Leben „nach ihren Bedürfnissen“ möglich, und es geht darum, die Verhältnisse wieder „auf die Füsse“ zu stellen: wir produzieren gemeinsam, wir konsumieren ge­mein­sam den von uns produzierten Reichtum.
Der Ausgangspunkt des FfD scheint uns zu sein: die Welt ist ungerecht, und wir schnappen uns den Ungerechtesten von allen. Ein idealistischer Ausgangspunkt, der die Welt nicht grundlegend verändern möchte. Ein bürgerlicher Ausgangspunkt – die bürgerliche Gesellschaft als solche wird nicht angetastet.
Das FfD bemüht sich zwar sehr um eine “revolutionär-wissenschaftliche” Sprache, das ändert aber nichts daran, daß es mit der Analysefähigkeit hapert, jedenfalls wenn man - als KommunistIn unter Analyse den historischen Materialismus versteht.
Wieso meinen wir, daß das FfD nicht historisch-materialistisch analysiert?
Das FfD stellt fest, daß die 90er Jahre drei historische Entwicklungen an ihr Ende brachten, und zählt dazu die Guerilla in den Metropolen, eine Veränderung in den Kampfprozessen im Trikont und die autonome Bewegung in Mitteleuropa.
Wir sagen, das Jahr 1989/90 brachte eine wichtige Veränderung in den globalen Kräfteverhältnissen: den Zusammenbruch erst der osteuropäischen realsozialistischen Ländern, gefolgt von der Selbstaufllösung der Sowjetunion. Ausgehend von diesem historischen Umbruch sind die Auswirkungen der neuen Kräftekonstellation zu betrachten, und darunter fallen die vom FfD angeführten Erscheinungen.
In einer Analyse über den Umbruch der 80er/90er Jahre den wichtigsten dieser Umbrüche außer acht zu lassen, ist eine ahistorische Herangehensweise, die vermutlich von der Einstellung getragen wird: Wir wissen bereits, auf was wir hinauswollen, deshalb konstruieren wir die Geschichte darum herum. Entsprechend fallen die Ergebnisse aus:
Der bewaffnete Kampf in den Metropolen ist nicht zu Ende, wenn wir etwa an die ETA oder neu entstehende Gruppen denken. Was zu Ende ging, ist vor allem die Geschichte der RAF, und die scheint das FfD mit dem metropolitanen Kampf zu meinen. Wir denken, daß hier ein gewisser deutsch-Zentrismus eine Rolle spielt.
Um diesen Umbruch zu bewerten, bedarf es einer umfassenderen historischen Analyse, die wir hier nicht leisten werden. Für uns steht aber fest, daß der ungenügende Kampf gegen den Revisionismus einer der wichtigsten Punkte dieser ganzen Entwicklung ist.
Was helfen uns die schönsten Worte …
Auf der homepage des FfD finden sich auch Beiträge anderer Gruppen und Einzelpersonen. So freuten wir uns, den Text des Gefangenenkollektivs der PCE(r) und GRAPO, der Commune Carlos Marx (CCM), zur RAF zu finden.
Die CCM beharrt in ihrem Papier darauf, daß ihr Kampf ein kommunistischer, ein Klassenkampf ist, und kritisiert die RAF, die weder eine theoretische Linie entwickelt habe, noch auf dem Boden des Klassenkampfs operiere: „Da gibt es
* ihre (der RAF) klare Entwicklung zu strikt militaristischen Positionen mit der Schaffung dieses “deutsch-französischen” Hirngespinstes der westeuropäischen “antiimperialistischen” Guerilla;
* die Verweigerung der brüderlichen und offenen ideo­lo­gi­schen Auseinandersetzung mit anderen revolutionären Organisationen;
* ihre Manie, jede ernsthafte Analyse über jede für die Bewegung wichtige Angelegenheit in eine Demonstration von Omnipotenz der NATO zu verwandeln;
* die Erklärung - ohne rot zu werden -, dass jede Ver­ur­teilung eines Revolutionärs oder eine Verurteilung zum Tode auf machiavellistische Weise von der höchsten Kom­mando­stelle der NATO geplant ist...“4
Die Commune kommt zu dem Schluß:
„Deshalb müssen zwei fundamentale Schluss­folgerungen aus unserer Kritik gezogen werden:
1. es gibt zwei unterschiedliche Arten, revolutionäre Politik in Europa durch den bewaffneten Kampf zu machen:
- eine kommunistische, die sich auf Ergebnisse stützt, die es bis jetzt im Kampf gegeben hat, und die die These vom langandauernden Volkskrieg vertritt, der notwendigerweise in den Volksaufstand mündet;
- die andere Richtung, die anarchistisch, kleinbürgerlich und opportunistisch ist, der eine revolutionäre Strategie fehlt und die kein anderes politisches Ziel hat, als den militärischen Institutionen des Imperialismus Schläge zu versetzen.
2. dass auch aus den Erfahrungen, die bis jetzt gemacht wurden, in erster Linie jetzt die Schaffung der kom­mu­nis­ti­schen Partei, der Organisation der kämpfenden Arbeiter herausragt. Diese Position wird von der kommunistischen Strömung vertreten, die das Militärische vom Politischen abhängig macht. Die “anti-imperialistische” Strömung hingegen beachtet diese Aufgaben der Kommunisten nicht, führt die Entfremdung und Verbürgerlichung der Arbeiter an und lässt sich auf ein inter­klas­sis­ti­sches Terrain ein, das nach außen hin sehr bombastisch wirkt, wie die “westeuropäische Guerilla”, aber ohne jeden proletarischen Inhalt und ohne jede Perspektive ist.“5
Auch wenn man nicht jede Einschätzung der CCM teilen muß, so liegt die Qualität dieses Beitrages zweifellos darin, klarzustellen, daß kommunistische Politik eben nicht die Beschränktheit auf militärische Auseinandersetzung mit dem US-Imperialismus ausmacht, und daß bewaffneter Kampf ohne kommunistische Organisation in bewaffnetem Reformismus enden wird.
Auch Lenin kommt auf der FfD-homepage zu Ehren mit seinem Beitrag über den Partisanenkrieg. Hier ist u.a. nachzulesen:
„Erstens unterscheidet sich der Marxist von allen pri­mi­ti­ven Formen des Sozialismus dadurch, daß er die Bewegung nicht an irgendeine bestimmte Kampfform bindet. Er erkennt die verschiedensten Kampfformen an, und zwar “erfindet” er sie nicht, sondern faßt nur die im Verlauf der Bewegung von selbst entstehenden Formen des Kampfes der revolutionären Klassen verallgemeinernd zusammen, organisiert sie und verleiht ihnen Bewußtheit. Der Marxismus lehnt alle abstrakten Formeln, alle doktrinären Rezepte entschieden ab und fordert ein aufmerksames Eingehen auf den sich tatsächlich abspielenden MASSENkampf, der mit der fortschreitenden Entwicklung der Bewegung, mit dem wachsenden Bewußtsein der Massen, mit der Verschärfung der ökonomischen und politischen Krisen immer neue und mannigfaltigere Methoden der Verteidigung und des Angriffs hervorbringt.“6
Lenin weist darauf hin, daß der Kampf ein Massenkampf ist, und daß die Kampfformen flexibel sind. Deshalb war der Partisanenkampf im Rußland 1905 eben Ergebnis der (ersten Etappe der) Revolution und nicht Beschluß frustrierter Post-Autonomer. Es bedarf immer der historisch-materialistischen Analyse, um zu den richtigen Schlüssen zu gelangen.
Wir finden noch mehr durchaus lesenswerte Texte auf der FfD-homepage. In der „Papers-Section“ der homepage finden sich „vom FfD veröffentlichte Grundlagentexte“, unter anderen „Die Auseinandersetzung suchen - zwei Erklärungen, eine von al-Quaida, die andere von Usama bin Laden“:
„Diese Ereignisse [die Anschläge in Nairobi und Dar es Salaam sowie die darauf folgenden Angriffe auf den Irak und Afghanistan] haben die Welt in zwei Teile gespalten. Die Seite der Gläubigen und die Seite der Ungläubigen, möge Gott euch von ihnen fernhalten. Jeder Muslim hat sich anzustrengen, um seinem Glauben zum Sieg zu verhelfen. Die Zeit der Entscheidung ist gekommen. Die Zeit der Veränderung ist gekommen, um die Unterdrückung auf der Insel Muhammads, Friede sei mit ihm, auszumerzen.
Zu Amerika und dem amerikanischen Volk will ich nur wenige Worte sprechen: Ich schwöre bei Gott, dass weder Amerika noch das amerikanische Volk sicher sein werden, bevor nicht wir in Palästina in Sicherheit leben können, bevor sich nicht alle Armeen der Ungläubigen vom Land Muhammads, Friede sei mit ihm, zurückgezogen haben.“7
Das FfD erkennt auch, daß der „Kämpfende Islam [primär] eine politische Ideologie [ist], die sich als klare strategische Zielsetzung die Beseitigung des westlichen Einflusses im Arabischen, und im Weiteren, im gesamten islamischen Kulturaum gesetzt hat. (…) So muss man das in unterschiedlichen Phasen vorkommende Bündnis des politischen Islam in seinen differenten Ausprägungen mit imperialistischen Mächten durchgängig als taktisch bewerten.“8
Eine derartige Phase des Bündnisses mit einer imperialistischen Macht, den USA, war bekanntlich Afghanistan während der sowjetischen Besatzungszeit. Das Ergebnis war die Rücknahme aller, wenn auch noch so kleiner Er­rungenschaften, die die vorangegangene Pha­se der Demokratie nach dem Sturz des afghanischen Königs gebracht hatte.
Kräfte, die seit Jahren die Arbeiterbewegung im Iran unterdrücken, sind für das FfD offensichtlich „fortschrittlich“ genug, um an ein Bündnis zu denken: „Der Erfolg der islamischen Strömung in der iranischen Revolution erklärt sich also primär aus seiner erfolgreichen Anknüpfung an reale ideologische Bedürfnisse der Massen und dem hohen Maß an praktischer politischer Organisations- und Handlungs­fähigkeit. Daran ändert auch das Scheitern der iranischen Revolution in deren weiterem Verlauf nichts.“9
Und wenn schon nicht fortschrittlich, so zeichnet den „politischen Islam“ doch die „Radikalität“ aus: „In einem ähnlichen Licht muss die Entwicklung der Hamas in Palästina betrachtet werden. Ihr Erfolg und ihre heutige Führungs­position im palästinensischen Kampf ist nicht durch die imperialistische Unterstützung zu erklären. Vielmehr erstarkte die Hamas im Rahmen der ersten Intifadha zu einem Zeitpunkt, als die Fatah und alle weiteren Organisationen, die de facto den Führungsanspruch der Fatah anerkannten, also auch die PFLP, zu einer Begrenztheit der Mittel in der Auseinan­dersetzung in Hinblick auf einen zukünftigen Friedensschluss auf­riefen. Während sich etwa die PFLP darauf beschränkte, Steine und Molotow-Cocktails im Kampf gegen die zionisti­sche Besatzung einzusetzen, rief die Hamas dazu auf, zu den Gewehren zu greifen.“10… und damit qualifiziert man sich dann als „antiimperialistischer Vorkämpfer“, was für das FfD identisch ist mit „Revolutionär“.
Die Kompradoren-Bourgeosie als Führer im Befreiungskampf
Die FfDsche Verehrung des „edlen Wilden“ geht noch weiter: sogar die Kompradoren-Bourgeoisie soll mit ins anti-imp’sche Befreiungsboot: „Natürlich gibt es auch eine geradlinige Entwicklung, wo der Kampf gegen die Kompradoren den Kampf gegen den Imperialismus einschließt, aber [...] so einfach wie in Vietnam – mit einer eindeutigen, von Nebenwidersprüchen gesäuberten Front – wird es uns die imperialistische Propagandaabteilung nicht mehr machen11War ja auch wirklich einfach, Vietnam zu befreien. „Aber die Reihenfolge ist klar: Zuerst der Marionettenspieler, dann die Marionetten. Solange der Kolonialismus und/oder eine imperialistische Aggression eine Region überschattet, wäre die innere Zersplitterung eine Erleichterung für den Aggressor“. Also: Stop dem Klassenkampf, denunzieren wir die Befreiungsbewegungen (wie die FdD die PFLP), die die Front etwas eindeutiger sehen als der romantische Metropolen-Anti-Imp – und ziehen mit den Kompradoren auf in den Kampf gegen die Imperialisten!
Aber die wahren Taktiker des Anti-Imp-Kampfes gehen noch weiter. Im Vorwort zur Veröffentlichung der Erklärungen zum faschistischen Anschlag auf das Word-Trade-Center 9/11 (zur Erinnerung: während der „Angriff“ auf das Pentagon letztlich „mißlang“, starben im WTC hauptsächlich ImmigrantInnen – der Zeitpunkt des Angriffs war so gewählt, daß die Bosse erst zu einem kleinen Teil in der Arbeit erschienen waren) belehrt uns das FfD: „Eine Auseinandersetzung mit diesen Erklärungen ist auch für europäische, nicht-islamische emanzipatorische Kräfte unabdingbar. [...] die Spekulationen über eine eventuelle Urheberschaft westlicher Geheimdienste [sind] nichts anderes als reaktionäres Geschwätz. [...] Sich heute hinter anti-islamischen Floskeln zu verstecken und damit diese Auseinandersetzung zu verweigern, heißt nicht nur, einen einfachen taktischen Fehler zu begehen. Eine solche Haltung ist vielmehr Ausdruck euro­zentristischer Borniertheit und metro­politanen Chauvinismus’. Sie bedeutet in der politischen Praxis nichts anderes als die Spaltungspolitik, die uns heute von den imperialen Herrschern von Washington bis Berlin, von London bis Moskau präsentiert wird, mit zu vollziehen. [...] Der Kampf um Befreiung wird von denjenigen angeführt, die kämpfen!12Das heißt, wenn die imperialistische Bour­geoisie im Kampf um Märkte und Einflußzonen zu militärischen Mitteln greift und sich gegenseitig bekriegt, dann sollen wir hinterher rennen und Stellung beziehen. Während die Anti-Nationalen die US-Bourgeoisie bevorzugen, schwärmen die Anti-Imps für einen Ex-Dandy und Milliardärssöhnchen arabischer Provenienz (er hat sich aber auch wirklich einen schönen islamischen Bart wachsen lassen).
Kommunismus = Eurozentrismus?
In ihrem Text „Die Antinationalen“ des FfD kommt es ans Tageslicht: „Nach diesen Kriterien werden auch die Befreiungsbewegungen im Trikont beurteilt – akzeptiert werden sie ausschließlich nach der Annahme europäischer Befreiungstheorien. Dies ist eine Form von linkem Kolonialismus13. Obwohl nahezu alle Fortschritte in Richtung Sozialismus und Kommunismus das gesamte 20. Jahrhundert hindurch von Bewegungen und Theoretikern außerhalb „Europas“ vorangetrieben wurden, kommt das FfD zu dem Schluss: Kommunismus ist eurozentristisch, ein Spleen der Metropolen-Linken. Nieder mit Ho-Chi-Min und Mao-Tse-Tung, diesen verwestlichten Idioten! Die wahre, autochtone Befreiungs“theorie“ der unterdrückten Massen in den drei Kontinenten sei der Islamismus.
Es reicht eben nicht aus, ein paar „Klassiker“ auf die homepage zu postieren. Sie müssen erstens gelesen, zweitens verstanden und drittens ihre Theo­rien für die jeweilige Situation angepaßt werden. Das setzt allerdings den Willen voraus, die Welt tatsächlich grundlegend verändern zu wollen, und sich nicht mit „bewaffneter Romantik“ zu begnügen. Wie die Commune Carlos Marx schreibt: „Eine Sache ist es, für den Kommunismus zu sein, wie das alle Organisationen sein wollen, und eine ganz andere Sache ist es, in jedem Moment den Klassenkampf zu verteidigen, gegenüber jedem konkreten Problem die Positionen des Kommunismus zu vertreten.“14
Quellen
Alle Zitate stammen von der FfD-homepage:
1Im Westen nichts Neues
2Im Westen nichts Neues
3Im Westen nichts Neues – übrigens eine der wenigen Passagen, in denen der „proletarische Internationalismus“ Erwähnung findet
4Zwei unvereinbare Linien innerhalb der europäischen revolutionären Bewegung
5Zwei unvereinbare Linien innerhalb der europäischen revolutionären Bewegung
6Der Partisanenkampf
7Die Auseinandersetzung suchen
8Diskussion: Verhältnis zum politischen Islam – Antwort zum Text „Wider die Überschätzung der Stärke des Gegners“
9Diskussion: Verhältnis zum politischen Islam – Antwort zum Text „Wider die Überschätzung der Stärke des Gegners“
10Diskussion: Verhältnis zum politischen Islam – Antwort zum Text „Wider die Überschätzung der Stärke des Gegners“
11Die Antinationalen
12Die Auseinandersetzung suchen
13Die Antinationalen
14Zwei unvereinbare Linien innerhalb der europäischen revolutionären Bewegung