Eine Recherche von Claudio Tulli von Zabrinsky Point, trend onlinezeitung 04/03
Das große Geschäft nach dem Krieg
Unser Ansinnen ist es, einige neue Daten zusätzlich zu denen, die bereits im Umlauf sind, zu geben.
Wir möchten das immense Geschäft mit der Zeit nach dem Krieg im Irak auf den Punkt bringen. Es ist anfänglich sogar viel zu leicht zu behaupten, dass die Interessen in den postmodernen Kriegen nicht nur mit der Besetzung des Territoriums verbunden sind, sondern auch mit dem Testen militärischer Technologien, die, so lange sie nicht eingesetzt werden, reine Mirabilia (A.d.Ü.: Wunderdinge) bleiben. In diesem Krieg gibt es viele ganz neue Elemente: die E-Bombe, beispielsweise. Bomben, die sämtliche elektronische Komponenten zerstören, die sich in der Umgebung der Explosion befinden. Der technologische Krieg ist sicher auch mehr als nur ein Test. Es ist der Versuch, eine globale Herrschaft durch die Bildung eines enorm mächtigen Heeres für den Schnelleinsatz in allen Gebieten des Empires zu schaffen, wo dies nötig ist.
Der postmoderne Krieg ist strukturell mit dem sich in der Krise befindenden ökonomischen Zyklus verbunden, dessen spektakulärer Ausdruck er ist. Dieser Krieg, der seit Jahren stark gewollt wurde, repräsentiert für das Kapital die Möglichkeit, einen wesentlichen Teil des „Mehrwerts“, der in der Aufstiegsphase der IT-Industrie produziert wurde, zu resorbieren. Nach dem 9.11.2001 hat eine Neuausrichtung der Investitionen der High-Tech-Güter hin zur Überwachungsindustrie stattgefunden: die Digitalisierung der Kontrolle in allen ihren Formen hat diese Kapitalmengen, die Gefahr liefen, sich in Folge des Verpuffens der New Economy in Luft aufzulösen, übernommen. Der Terrorismus, der echte und der induzierte, hat einen Mehrwert „recycelt“, der auf dem Weg war, sich in Nichts aufzulösen.
Der andere Aspekt, der mit der imperialen Vorherrschaft verbunden ist, ist die Frucht einer Refunktionalisierung der Technologien der digitalen Kontrolle gewesen, hin zur „De­po­larisierung“. Angesichts des unilateralen Plans, der nach 1989 eingeweiht wurde, versucht das Kapital sein globales Joch auf der Grundlage einer Vorherrschaft militärischer Art aufzuzwingen.
Das große Geschäft der post-Nachkriegszeit ist also nichts anderes, als die Fortsetzung der New Economy mit anderen Mitteln: Investitionsmilliarden über informationelle Güter werden durch die Marines dem internationalen Markt aufgezwungen. Natürlich haben wir nicht die geringste Vorstellung dessen, was zehn oder zwanzig Milliarden Dollar sind. Wir wollen versuchen, in synthetisierter Form, einige ökonomische Eckpunkte der wichtigsten Züge dieses globalen Prozesses asymmetrischer Regulierung, der den wahren Wettlauf dieses Krieges darstellt, aufzuzeigen.
Das allgemeine Lagebild:
* Nach Schätzungen wird der Gesamtpreis des Krieges in etwa 132 Milliarden Dollar betragen (für fünf Jahre plus Besatzung).
* Der Preis für die Wiederherstellung der Ölquellen wird im Bereich von 30 bis 40 Milliarden Dollar rangieren.
* Um das Stromnetz wieder aufzubauen und die Produktionskapazität auf das Niveau von 1990 zu bringen, werden 20 Milliarden Dollar investiert werden.
* Zwei Milliarden Dollar werden investiert werden, um die Infrastruktur wieder herzustellen. (Straßen, Flughäfen, Schulen)
* 2003 wurden die föderalen Ausgaben für die Verteidigung mit 364,4 Milliarden Dollar bilanziert.
* 2004 wird diese Zahl auf 379,9 Milliarden Dollar ansteigen.
Erster Referenzblock: Das Öl
Der Krieg ist für die amerikanischen Öl­ge­sell­schaften (auch wenn es nicht nur amerikanische Gesellschaften sind) ein gigantisches Geschäft. Die Ölgesellschaften, die die Wahl von George Bush finanziert haben, sind:
Exxon (die mit 298 Milliarden Dollar Kapitalisierung an der Börse weltweit größte Ölgruppe)
Texaco
Chevron-Gulf
Exxon hat sich mit einer Million Dollar am Wahlkampf George Bushs beteiligt.
Man betrachte diese Tabelle, um sich eine Vorstellung davon zu machen, welcher der allgemeine prozentuale Anteil an Zuwendungen für Bush (und die Republikaner) - im Vergleich zu den Demokraten - gewesen ist:
Energy/Nat. ressources 75%
Agrobusiness 73%
Transportation 72%
Construction 67%
Defense 65%
Health 60%
Finance insurance 58%
Communications 45%
Lawyers 32%
Labor 6% .
Um einen historischen Rahmen über die Zuwendungen der Energy-Corporations zu erfassen:
Jahr Zuwendungen an die
Demokraten Republikaner
1996 $ 4.624.617 $ 18.034.297
2000 $ 6.928.153 $ 26.700.109
entspricht einer Steigerung von
+49,81% +48,05%
Nach dem, was die Presseagentur Defense Logistic Ende September berichtete, hat Exxon den Zuschlag für einen 48 Millionen Dollar Auftrag über die Lieferung von Benzin, Diesel und Schmieröle für die Armee, die Marine, die Luftwaffe, die Nato und die anderen Institutionen des Defense Departements bekommen. Die Lieferung beinhaltet auch die Versorgung der italienischen Kontinental- (Vicenza, Camp Derby, Napoli usw.) und Insularstützpunkte (Sizilien, La Maddalena usw.). Diese Zahl ist für eine Gesellschaft mit jährlichen Einnahmen von mehreren Dutzend Milliarden Dollar eine Lächerlichkeit, aber sie wird zum interessanten Aspekt, wenn man bedenkt dass Exxon aufgrund ihrer Stellung als größte und auch noch US-amerikanische Öl­ge­sellschaft mit großem „Einfluss“ auf Bush die Gesellschaft sein wird, die mehr als andere aus der Eroberung Iraks und seiner Ölfelder Profite ziehen wird, von denen 25% schon vor dem Krieg von 1991 in ihrem Besitz waren. Um sich eine Vorstellung davon zu machen, welche die Interessen von Exxon sind und welche Strategien sie auch auf wissenschaftlicher Ebene auffährt, siehe www.greenpeace.it/esso.pdf (A.d.Ü.: in italienischer Sprache. Mit ein wenig Eigenrecherche lässt sich aber sicher auch in Deutsch dazu was finden!)
Zweiter Referenzblock: Die Ölquellen
Mit einer beispiellosen lobbyistischen Aktivität hat die US-Verwaltung bereits die Zuschläge für die Wiederaufbauarbeiten an Firmen vergeben, die direkt oder indirekt mit Bush und den Mitgliedern seiner Regierung verbunden sind.
Halliburton (als Dick Cheney, der von 1995 bis 2000 im Vorstand war, seinen Posten verließ, setzte er Lawrence Eagleburger an seine Stelle ein, der 1992 Staatsekretär von Bush Senior war). Gegen diese Gesellschaft, eine texanische multinationale Corporation, die über 100.000 Beschäftigte hat, wird seitens amerikanischen Börsenaufsicht SEC wegen Bilanzunregelmäßigkeiten ermittelt. Diese Gesellschaft hat den Zuschlag für die Löschung der Ölquellenbrände und für Reparaturen der irakischen Pipelines bekommen [Interessant auch, daß die USA davon ausgegangen sind, die Iraker würden sämtliche Ölquellen in Brand setzen – was sie nicht taten. Anm. Info-Verteiler]. Zuvor hatte sich Halliburton darin hervorgetan, dass sie die Bush-Regierung wegen des Korridors am Kaspischen Meer bedrängt hatte: Regisseur der Wiedereröffnung des afghanischen Korridors ist Dick Cheney, der, bevor er Vizepräsident der Bush-Regierung wurde, CEO (Chief Executive Officer) von Halliburton war, dem weltweit größten Anbieter von Dienstleistungen für die Ölgesellschaften, mit der er ein Vermögen angehäuft hat und von der er auch noch als Entlassungsprämie ein Aktienpaket im Wert von 34 Millionen Dollar bekommen hat. Halliburton, ExxonMobil, Conoco und andere US-Gesellschaften, die dreißig Milliarden Dollar für die Ausbeutung der Energieressourcen am Kaspischen Meer investiert haben, machen Druck für die Öffnung des so genannten afghanischen Korridors, das von einigen (mit historischer Bildung ausgestatteten) texanischen Ölherren „neue Seidenstraße“ genannt wird (www.afghanistan.it/).
Natco ist die Gesellschaft, die zusammen mit Boots&Coots (Texas) den Zuschlag für die Beratung zu den Ölquellen erhalten hat. Eine in der ganzen Welt präsente Gesellschaft, die sich mit der Wasseraufbereitung, mit der Gas- und Ölverarbeitung, mit Raffineriearbeiten, Wasserstoff, chemischen Prozessen und Zusatzstoffen für Lebensmittel beschäftigt. Ihr Motto: „Wherever you are in the world, whatever your oil, gas, or water process challenge, count on the NATCO Group to deliver your solution“ spricht Bände über die Interessenbreite dieser Gesellschaft.
Der US-Konzern Schlumberger wird fast mit Sicherheit die Zuschläge für die Erkundungs- und Bohrungsarbeiten neuer Ölquellen bekommen.
Dritter Referenzblock: Der Wiederaufbau der Infrastruktur
Bechtel, kalifornischer Gigant. Untergruppe von Halliburton. Wird sich mit Flour, Kellogs Brown & Root, Parsons und der Louis Berger Gruppe den Kuchen des Wiederaufbaus von Straßen, Brücken usw. teilen. Bechtel ist ein sehr geheimes Unternehmen in Familienbesitz, mit Sitz in San Francisco, das den Hauptvertrag für den Wiederaufbau abgeschlossen hat, der auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt wird. Bechtel hat dank seines Einflussnetzes eine legendäre Geschichte im Erhalt der Vergabe von großen Projekten. Die Firma hat den Hoover-Damm, den englischen Ärmelkanaltunnel und viele Anlagen zur Atomkraftherstellung in den Vereinigten Staaten gebaut. In seinem Buch „Die Freunde ganz Oben - Die Geschichte von Bechtel: Die geheimste Firma und wie sie die Welt wiederaufgebaut hat“ beschreibt der Journalist Laton McCartney die Beziehungen von Bechtel mit den mächtigsten Persönlichkeiten, vor allem Republikanern. Caspar Weinberger, Verteidigungsminister Ronald Reagans, war einst Generalrechtsberater der Bechtels; der Reagan-Minister George Schultz ist ein ex-Bechtel-Präsident. „Gerald Ford hatte außerdem, so wie Richard Nixon vor ihm und Ronald Reagan nach ihm, einen Beitrag geleistet, indem er den Bechtels die kommerzielle Ausbeutung der zuvor in staatlichem Besitz befindlichen Kernkraftwerke ermöglicht hatte“ schreibt Mc­Car­ney, um ein Beispiel für das Maß der Kungelei der Bechtels zu geben. Und die Bechtels sind der Bush-Regierung nicht fremd. Im Februar wurde der CEO der Firma, Riley Bechtel, zusammen mit Dutzenden weiterer Kader zum Exportrat des Präsidenten, einer Beratergruppe des Weißen Hauses, gerufen worden. Das ist nicht verwunderlich, Bechtel war eine von den Firmen, die von USAID zur Erstellung von Angeboten für Verträge zum Wiederaufbau des Irak ausgewählt wurden. „Wir sind eines der Hauptunternehmen für Ingenieur- und Wiederaufbauleistungen weltweit, daher haben wir die nötige Erfahrung, um dies umzusetzen, wenn es im Irak Bedarf für den Wiederaufbau von Infrastruktur gibt“, hat Jonathan Marshall, ein Bechtel-Sprecher, gesagt. Aber Marshall war besorgt, dass man die Bechtels als Kriegstreiber sehen könnte. „Wir hoffen auf eine friedliche Lösung“ hat er gesagt. „Die Arbeiten sollten nicht in einer Kriegs-, sondern in einer Friedensatmosphäre stattfinden. Wir versuchen nicht, von irgendwas zu profitieren“.
Kellog Brown & Root, im Besitz von Halli­bur­ton. Wie die New York Times im vergangenen Sommer berichtete, hat der Krieg gegen den Terrorismus exzellente Früchte für KBR getragen. Nach den Angriffen vom 11. September wurde die Gesellschaft für den Bau eines ständigen Aufenthaltorts für die Gefangenen in der Bucht von Guantanamo, Cuba, ausgewählt. Darüber hinaus hat KBR einen zehnjährigen Vertrag mit Verlängerungsoption für die Lieferung von Nachschub und logistischer Versorgung - bei einer praktisch vom Essen bis zur Energieerzeugung allumfassenden Kontrolle - für das Heer erhalten. Aber in letzter Zeit macht Halliburton eine schwere Zeit durch. Die Firma ist wegen zahlreichen Schadensersatzklagen wegen des Gebrauchs von toxischen Substanzen und Asbest in vielen Filialen geklagt worden. (Siehe für ein detaillierteres Bild www.salon.com/ und, auf Italienisch, den Artikel: www.nuo vimondimedia.it/modules.php?op
Vierter Referenzblock
Der Interessenkonflikt, dem die amerikanische Staatsverwaltung unterliegt, hat eine sehr lange Geschichte, die nicht nur die Familie Bush angeht. Sehen wir uns auch nur einige der Gestalten an, die in dieses irakische Megageschäft verwickelt sind:
George W. Bushsitzt, auf den Spuren des Vaters und in manchen Fällen sogar stellvertretend für ihn, in den Firmen Spectrum Corporation, Arbusto Energy (die spätere Bush Exploration) und Harken Energy Corporation. Gerade wird von der amerikanischen Staatsanwaltschaft wegen einer insider-trading-Affäre, die mit einem illegalen Manöver verbunden war, gegen G.W. Bush ermittelt.
Donald Rumsfeld ist Präsident und Vorstandsmitglied der GIC, General Instrument Corporation, gewesen, einem Giganten der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­dus­trie. Sein seit Reagans Zeiten Untergebener Richard Perle, eine wahre graue Eminenz in der neuen Junta, ist vor wenigen Tagen wegen eines mit dem Verkauf von Glasfasernetzen der ihm gehörenden Firma Global Crossing zusammenhängenden Interessenkonflikt zurückgetreten.
Dick Cheney ist der wahre Drahtzieher dieser neuen Administration. 1969 ist er republikanischer Abgeordneter in Illinois (Die „fa­shists of Illinois“ im Film The Blues Brothers), unter der Nixon-Präsidentenschaft. 1988 wird er Fraktionschef der republikanischen Minderheit im Abgeordnetenhaus. Mit dem Aufstieg George Bushs sen. wird Cheney zum Verteidigungsstaatssekretär ernannt, ein Amt, das er vom März 1989 bis zum Januar 1993 inne hatte. Unter seiner Verantwortung werden zwei militärische Kampagnen von entscheidender Bedeutung geführt: „Gerechte Sache“ in Panama und „Desert Storm“ im Irak. Es ist Cheney, der Paul Wolfowitz und I. Lewis Libby die Formulierung der neuen Doktrin der „Nationalen Sicherheit“ anvertraut: Die Vereinigten Staaten werden nicht zögern, präventiv und mit dem Höchstmaß der militärischen Kraft jede feindliche Macht, die eine Bedrohung darstellen könnte und verdächtigt wird, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, zu treffen. Gegenwärtig ist Wolfowitz Vize-Verteidigungsminister, und Libby ist Chef des Cheney-Stabs. Aber Cheneys Hauptinteresse sind die Geschäfte. Während der Clinton-Präsidentschaft verlässt er zeitweilig die Politik und sitzt zunächst im Board of Directors des American Petroleum Institute und wird später Präsident und CEO von Halliburton. Unter der Leitung Cheneys hat die Gesellschaft ihre Zuwendungen für die Politik (die in den USA als legal angesehen werden) verdoppelt und 2,3 Milliarden Dollar öffentliche Aufträge bekommen. Für sich hat Dick einen Jahreslohn von 1,3 Millionen Dollar und 18-Millionen Dollar in stock-options.
Condoleezza Riceist während der gesamten 90er Jahre Direktorin von Chevron und baute die Betriebspolitik in Palästina und Kasachstan aus.
Kathleen Cooper, Beauftragte für wirtschaftliche Angelegenheiten, hatte die gleiche Stellung bei Exxon.
Der Handelsminister, Donald Evans und der Vize-Minister für Energie, Spencer Adams, kommen beide aus dem Tom Brown Inc. Management, Branche: Öl und Ölprodukte.
Vertiefendes über die im Irak-Krieg verwickelten Ölgesellschaften (in englischer Sprache): italy.indymedia.org/uploads/iraq.pdf
Editorische Anmerkungen
Der Artikel erschien bei Zabrinsky Point - einem der bekanntesten italienischen zivilgesellschaftlichen Gegenöffentlichkeitsnetz­wer­ke. Zur Zeit bildet dort das Geschäft mit dem „Wiederaufbau“ vom durch den imperialistischen Krieg verwüstete irakische Land einen Themenschwerpunkt. Zabrinsky-Point-Autor Claudio Tulli hat sich bemüht, aus verschiedenen Beiträgen und aus neu recherchiertem Material einige Informationen zum Thema zusammenzutragen. Bei Indymedia erschien diese (nicht-autorisierte) Übersetzung ins Deutsche. [verbessert und teilweise aus dem Englischen übersetzt von Info-Verteiler]