SOC Almeria, http://www.forumcivique.org, http://www.civic-forum.org/index.php?lang=DE&site=migration&article=626, Der Haupttext ist von Spitou Mendy, er kommt aus dem Senegal, ist Professor für Sprachen und seit Anfang 2002 Aktivist der SOC.
SOC Almeria –
LandarbeiterInnen-gewerkschaft
Die SOC (www.soc-andalucia.com) entwickelte sich in Andalusien in den 60er und 70er Jahren aus Widerstandsgruppen, die schon gegen Ende des Franco-Regimes die Interessen der LandarbeiterInnen wahrnahmen. Anfangs waren ihre Aktivitäten noch illegal, schon kurz nachdem Francisco Franco aber im November 1975 starb, schaffte die Organisation den Sprung in die Legalität: Im August 1976 wurde die SOC offiziell zugelassen. Zugleich begann der Kampf für die Bodenreform. 1978 organisierte die Gewerkschaft bereits in einigen Dörfern die ersten Landbesetzungen seit dem Bürgerkrieg.
Die Forderungen der SOC sind einfach und trotzdem schwer durchzusetzen. Faire Arbeit, Boden und Würde wollen sie erreichen. Verhindern möchten sie das Verschwinden von sozialen Kulturen, die für die Arbeitskräfte wichtig sind. Die Gewerkschaftsarbeit in Almeria bringt besondere Herausforderungen
Seit 2000 ist die SOC auch in Almeria verankert. Hier herrschen besondere Bedingungen, die die Gewerkschaftsarbeit erschweren. Da die meisten ArbeiterInnen keine Papiere haben und eine Ausweisung fürchten, ist es schwierig, sich zu organisieren. Auch das Arbeiten ohne Vertrag stellt ein Problem dar. Weil sie wissen, dass sie jederzeit vor die Tür gesetzt werden können, wollen viele ArbeiterInnen sich nicht auflehnen.
Trotzdem lassen sich die MitarbeiterInnen der SOC nicht entmutigen. „Wir müssen in die Betriebe gehen, mit den ArbeiterInnen reden“, beschreibt Laaroussi seine Strategie. „Wenn schon die ganze Schattenwirtschaft hier von ImmigrantInnen getragen wird, kann man doch erwarten, dass wir wenigstens wie Menschen behandelt werden“.
Um den ArbeiterInnen zur Seite zu stehen, schafft die Gewerkschaft kleine soziale Zentren und berät die ImmigrantInnen bei Rechtsfragen, Wohnungs- und Arbeitsbeschaffung. Sie deckt Gewalttaten auf und dient als Anlaufstelle für Verzweifelte. Subventionen von der Regierung erhält sie nicht. Einzig durch ihre Mitgliedsbeiträge, ihren laufenden Betrieb und Spenden trägt sich die ideelle und selbstlose Arbeit.
Der Kampf um die Rechte der „Rechtlosen“
Wenn man die Bejahung und die (Be-)achtung der Menschenrechte als Zeichen für eine fortgeschrittene Zivilisation sieht, so muss man paradoxerweise festhalten, dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die industrielle Entwicklung und die damit einhergehende Entwicklung der Städte, die den sozialen Fortschritt und den Komfort hervorbringen, allzu oft dazu führen, die Ausübung dieser Rechte zu gefährden.
In Almeria, im Südosten Spaniens, haben seit dem Pogrom von El Ejido im Februar 2000 Angst, Zurückweisung, schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen der MigrantInnen um sich gegriffen.
Angesichts der dringenden Notwendigkeit, die unmittelbare, mittel- und langfristige Lösungen erfordert, entschloss sich die Gewerkschaft der LandarbeiterInnen (auf Spanisch: Sindacato de Obrer@s de Campo, SOC), den Kampf gegen die vielfältigen Hindernisse bei der Durchsetzung der Menschenrechte aufzunehmen.
Dieser Kampf um die Menschenrechte konkretisiert sich im täglichen Leben um einige Achsen, nämlich das Recht auf:
* Identität,
* Arbeit und würdigen Lohn,
* ein Dach über dem Kopf,
* Familienleben,
* wahrheitsgemäße Information, Vereins- und politisches Leben usw.
Der Kampf für ArbeiterInnen, die außerhalb des Kampfes stehen
Die MigrantInnen im Allgemeinen und die „Papierlosen“ im Besonderen stehen seit Langem abseits des Kampfes. Sämtliche Gesetzgebungen kriminalisieren sie und schließen sie von jeglicher sozialökonomischen Aktivität aus. Das erinnert stark an die Praktiken des politischen und ökonomischen Liberalismus, die die Ausbeutung der volkstümlichen Klassen im Europa der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ermöglichten: das Versammlungs- und Vereins-Verbot (z.B. das Gesetz von Chapelier in Frankreich), das Arbeitsbuch, den Eigentümer, dem vor dem Richter aufs Wort geglaubt wird, im Unterschied zum/r ArbeiterIn, der/die Beweise liefern muss usw.
Die massenhafte Ankunft von Klandestinen in Almeria ist eine Wohltat für zahlreiche Bauern. Das Gesetz verbietet, sie einzustellen – theoretisch.
Der Kampf für die Identität ...
Die SOC hält fest, dass „kein Mensch illegal ist“. Um dies zu erreichen, fordert die SOC seit 2000 „Papiere für alle“. In vorderster Front aller Demonstrationen für massive Regularisierungen, ist die SOC Mitglied des andalusischen Netzwerkes für die Verteidigung der sozialen Rechte und des spanienweiten Netzes für die Rechte der MigrantInnen.
Die SOC bekämpft die Ausländergesetzgebung, weil sie der Meinung ist, dass „wenn ein Gesetz oder eine (gesellschaftliche) Praxis eine Diskriminierung gegen eine Kategorie der Bevölkerung festschreibt, so ratifiziert, legalisiert und verstärkt sie in den meisten Fällen eine Ablehnung, die das kollektive Gefühl der Mehrheit widerspiegelt.“
..., das Recht auf stabile Arbeit und menschenwürdigen Lohn
Angesichts der Tatsache, dass mehr als 90% der landwirtschaftlichen ArbeiterInnen in der Provinz Almeria AusländerInnen ohne Papiere sind, kämpft die Gewerkschaft der AgrararbeiterInnen (SOC) für die Anerkennung und die Aufwertung der Arbeit der „Illegalen“. Eine bedeutende Frage: JedeR weiß, dass der spanische Staat Menschen ohne Papiere per Sonderflügen von den Kanarischen Inseln nach Almeria fliegt. Wenn diese dann in der Provinz Almeria angekommen sind, unterliegen sie einer polizeilichen Verfolgung, die sie dazu drängt, unsichtbar zu werden. So geschwächt, sind sie leichter handhabbar und ausbeutbar. Und wie ein senegalesisches Sprichwort sagt: „Wer keine Mutter hat, läßt sich von seiner Großmutter säugen“ (sprich: wenn man nicht das kriegt, was man will, dann begnügt man sich mit dem, was man hat). In der Tat: Besser ein Elendslohn als gar nichts.
Im April 2007, anlässlich der Eröffnung ihres neuen Organisationslokals in San Isidro, in der landwirtschaftlichen Gemeinde von Nijar, bringt die SOC alle gesellschaftlichen Akteure der Provinz an einen runden Tisch, um brennende Themen zu diskutieren wie:
* Einstellung (von Arbeitskräften) ausgehend von den Herkunftsländern der MigrantInnen und industrielle Landwirtschaft,
* Förderung und Verteidigung der Rechte,
* ökologische Folgen der Landwirtschaft in Almeria,
* die Grenzen der mediterranen Landwirtschaft und ihre sozialen Auswirkungen.
Die Sicherheit
Wenn wir von Sicherheit sprechen, dann sprechen wir nicht von jener sozialen Sicherheit, die ein durch den Artikel 22 der Menschenrechtskonvention garantiertes Recht ist. Die „Papierlosen“ sind davon ausgeschlossen, weil sie sich auf den ArbeiterInnen-Status bezieht. Wir sprechen vom Schutz des Lebens und der Integrität der Person durch das Gesetz.
Im Laufe der letzten Jahre mußte die SOC eine große Anzahl an Klagen wegen Angriffen feststellen, die von Schlägen und Verletzungen bis zum Verlust des Lebens reichen. Die meisten dieser Fälle betreffen die marokkanische Gemeinschaft und blieben oft vom Gesetz ungesühnt.
Die SOC wartet noch immer auf die Festnahme und die Verurteilung der Mörder von Hozni, nachdem sie alle Klagen begleitet und unterstützt hat.
Am 1. Oktober 2006, nach der willkürlichen Festnahme dreier marokkanischer Arbeiter durch die Gendarmerie, gab die SOC, unterstützt vom Sozialforum von Almeria und der (andalusischen) CGT, eine Pressekonferenz, um den Freispruch der Genossen einige Tage zuvor zu feiern.
Am 24. November wurde in Almeria ein Protest Sit-In gegen die Übergriffe, die Ausgrenzung und den Rassismus abgehalten.
Unterkunft
Die SOC, ausgehend von der Tatsache, dass die meisten westlichen Länder umfangreiche Sozialprogramme eingeleitet haben, um jedem Bürger zu einem effektiven Recht auf Wohnung zu verhelfen, wird nicht müde, die Behörden bezüglich der Schließung mehrerer hundert Wohnungen in El Ejido zu befragen, zu einem Zeitpunkt, an dem menschliche Wesen unter den Sternen und/oder in Hütten aus Karton oder in Baracken schlafen.
Die Mieten steigen Tag für Tag ohne Rücksicht auf die fragilsten – um nicht zu sagen: ärmsten – Schichten. Am skandalösesten ist die Umwandlung und Vermietung von Garagen zum Preis einer Villa an die MigrantInnen, die somit gezwungen sind, sich zu zehnt zusammenzuschließen, um die Kosten gemeinsam aufzubringen.
Das Recht auf Familienleben und auf Familienzusammenführung
Angesichts ihrer Versuche, die MigrantInnen-Ströme um jeden Preis zu bremsen, haben die für Ausländer verantwortlichen Provinz-Behörden im April und Mai 2007 eine Ermessensklausel in der Ausländergesetzgebung in die Praxis umgesetzt, um die Ansuchen um Familienzusammenführung zu verschärfen: Sie müssen 6 Monate Lohn nachweisen und beweisen, wie sie jedes Familienmitglied mit 320 Euro im Monat unterstützen können. Die SOC mobilisiert und gibt am 29. Juni eine Pressekonferenz vor der Präfektur von Almeria, um diese Entartung aufs Heftigste anzuprangern.
Von zuhause fortgehen ist an sich schon ein Drama, die Unmöglichkeit, die Familie um sich zu versammeln, ist eine menschliche Tragödie. Die MigrantInnen sind oft für 5, 6 Jahre von ihren Familen abgeschnitten.
Das Recht auf Information, auf ein Vereins- und politisches Leben
Haben die „Papierlosen“ ein Recht auf Information, auf ein Vereins- und politisches Leben? Daran gibt es für die SOC keinen Zweifel, selbst wenn das Ausländergesetz der PP (der rechten Volkspartei) von 2000 ein veto dagegen einlegte.
Hervorzuheben ist, daß erst am 8. November 2006 der Verfassungsgerichtshof die Artikel 7.1, 8 und 11.1 als verfassungswidrig erklärt hat, die den „Papierlosen“ die Versammlungs-, Vereins- und Gewerkschaftsfreiheit garantieren.
Seit 2000 hat die SOC, in dieser Überzeugung, stets öffentliche Informations- und Orientierungsveranstaltungen für die ausländischen ArbeiterInnen abgehalten. Was die gewerkschaftlichen Aktivitäten betrifft, so gehen die Verantwortlichen in die Heime der ArbeiterInnen, um mit ihnen über ihre Rechte und Aufgaben zu sprechen sowie über die Notwendigkeit, sich der Gewerkschaft anzuschließen, um die Einheit im Kampf aller ArbeiterInnen zu bilden.
Die mangelnde Respektierung der Menschenrechte ist seit jeher eine Realität. Heute ist es das traurige Los hunderttausender ausländischer ArbeiterInnen, „illegal“, ohne Papiere, das uns daran erinnert.
Angesichts der Straflosigkeit rassistischer Handlungen, die bezeichnend für die skrupellose Ausbeutung der Rechtlosen ist, kann die SOC sich nicht damit begnügen, das Objekt der Macht zu sein. Sie sollte das Subjekt der Geschichte sein, eine Akteurin des Werdens: Es reicht nicht, auf seine Rechte zu zählen, man muß stets bereit sein, sie zu verteidigen und seinen Standpunkt zu vertreten.
Der Mord an Azzouz Hosni
Am 13. Februar 2005 erstachen fünf Jugendliche den 40jährigen Marokkaner Azzouz Hosni, als er in El Ejido aus einer Kaffeestube kam. Ohne jegliche Untersuchung des Vorfalls waren sich die Polizei und die Medien sofort einig: Es handle sich um einen Konflikt im Drogenmilieu. Parallel dazu schloss der Delegierte der Zentralregierung in Almeria einen rassistischen Hintergrund der Tat aus. Azzouz Hosni war Mitglied der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SOC. Das SOC hat eine sofortige Untersuchung des Mordes verlangt – bisher ohne Resultat. Die Verantwortlichen des SOC in Almeria betonen, dass Azzouz Hosni absolut nichts mit Drogen zu tun hatte. Er arbeitete seit fünf Jahren in El Ejido in den Gemüsetunnels oder auf dem Bau und er wohnte in einer Hütte aus Plastikresten. Nach Aussagen von AugenzeugInnen wurden fünf Jugendliche als Mordverdächtige festgenommen (zwei sind volljährig und drei minderjährig). Für das SOC ist klar: Es war eine rassistische Mordtat und der traurige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Gewalttaten gegen MigrantInnen in den letzten Monaten.