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Shell-Austria: Intervention in einen Arbeitskonflikt
Oder: Was können wir „von außen“ dazu beitragen?
Am 4.12.2009 verschickte die GPA gemeinsam mit den BetriebsrätInnen des Shell-Schmiermittelwerks Lobau eine Aussendung. Darin wurde darauf hingewiesen, dass dieses Werk, ein hochprofitabler Betrieb, mit Ende 2010 geschlossen werden soll und die Belegschaft, über 50 ArbeiterInnen und mehr als 200 Angestellte, bis dahin sukzessive gekündigt werden. In einer Betriebsversammlung beschloss die Belegschaft nahezu einstimmig, als erste Protestmaßnahme eine „öffentliche Betriebsversammlung“ vor dem Werk abzuhalten, und zwar von Freitag mittags bis Montag früh (4.12. – 7.12.). Die Gewerkschaft rief zur Unterstützung auf, um die Zufahrtsstraße blockieren zu können. Wir folgten diesem Aufruf.
Bereits Freitag abend fuhren einige von uns zum Shell-Werk. Sie kamen direkt von einer Veranstaltung im Audi-Max der Uni Wien und so wurden wir die gesamte Zeit über als „StudentInnen“ eingestuft, auch wenn wir des öfteren erklärten, dass die meisten von uns arbeiten bzw. arbeitslos sind.
Am Samstag mittag fuhren wir, 9 Menschen, gemeinsam in die Lobgrundstraße und trafen als Mini-Demonstration mit einem Fronttransparent ein. Wir wurden herzlich empfangen und fragten sofort nach der Blockade. Die jedoch hatte der Betriebsrat auf Empfehlung von Polizei und Gewerkschaft unterlassen („es drohen Schadenersatzklagen“). Unser Angebot, dass wir diese Arbeit übernehmen würden, wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen und so blockierten wir die Straße. Rasch standen einige LKWs, vorwiegend Tanklaster, die auf dem Weg ins Werk waren, still. Und da kam uns auch schon die anwesende Belegschaft (ca. 25 ArbeiterInnen, von denen einige tatsächlich die Nacht bei Temperaturen um den Gefriergrad im Freien verbracht hatten) zu Hilfe.
Die Truck-Fahrer wurden mit Tee und Gulasch bewirtet und über die Situation aufgeklärt. Obwohl diese für sie eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit bedeutete, verhielten sie sich durchaus solidarisch und diskutierten mit den Belegschaftsmitgliedern die Lage. Nach ca. 1 Stunde kam dann ein Vertreter der Gewerkschaft Pro-Ge an und erklärte die Blockade für beendet.
Zu seinem Ärger musste er zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht in seinem Auftrag, sondern im Interesse der von Kündigungen bedrohten KollegInnen tätig waren – und daher auch nur diese uns auffordern könnten, die Blockade zu beenden. Schließlich gab es eine Abstimmung, die mit einer Mehrheit von 8 zu 2 Stimmen für das Ende der Aktion ausging und die wir für uns als bindend betrachteten.
Danach stellte sich rasch heraus, dass die meisten Anwesenden gar nicht mitbekommen hatten, dass und worüber hier abgestimmt wurde. Tatsächlich hatten die meisten die Aktion für gut gefunden und ärgerten sich über ihren Abbruch. Das zeigte sich auch noch am Sonntag, als um 14 Uhr die Aktion vorzeitig mit einer Abschlusskundgebung beendet wurde. Die „offiziellen“ SprecherInnen (eine Nationalratsabgeordnete und GewerkschafterInnen) erhielten kaum Applaus, so verbalradikal sie auch auftraten, teilweise zeigten ihnen die ArbeiterInnen im Wortsinn die „kalte Schulter“ und wandten sich ab.
Trotzdem setzte sich die Gewerkschaftslinie, die von vornherein in Abwiegeln und Aushandeln eines Sozialplans (dessen Ergebnisse immer noch der Öffentlichkeit gegenüber geheim gehalten werden) bestanden hatte, durch. Das, obwohl auf einer Betriebsversammlung in der folgenden Woche ein Streikbeschluss gefasst wurde, der dann allerdings – aufgrund der „wunderbaren Verhandlungsergebnisse“ – nicht umgesetzt wurde.
Wir haben aus dieser Aktion einiges lernen können:
Die Stimmung unter den ArbeiterInnen (von den Angestellten haben wir nicht viel mitbekommen) war durchaus kämpferisch, was sie schon mit ihrer öffentlichen Betriebsversammlung unter Beweis stellten.
Unsere Unterstützungsaktion fand großen Anklang – aber genauso rasch brach der Kontakt dann auch wieder ab, was wir den gewerkschaftlichen „Maßregelungen“ zuschreiben. Offensichtlich war sie der Gewerkschaft ein Dorn im Auge, denn in unseren Diskussionen mit den ArbeiterInnen zeigte sich, dass diese weniger an einem Sozialplan und mehr an der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze (bzw. ihres Einkommens) interessiert waren. Darüber aber wurde, scheint‘s, in den Betriebsversammlungen nicht gesprochen.
Wenn schon unsere kleine Intervention solchen Anklang fand, dann sagt das einiges über die Kampfbereitschaft der Belegschaft aus, so wie die Behandlung durch die Gewerkschaft etwas über deren Ängste, die Hegemonie über den Ablauf von Arbeitskonflikten zu verlieren.
Und: Angesichts der Krise sind tendenziell sehr viele von Jobverlust bedroht – einerseits diejenigen, deren Betriebe in Konkurs gehen (Cosmos, Quelle, …) und anderes diejenigen, deren Betriebe die Chance nutzen, rationalisieren und damit ebenfalls Jobs abbauen.
Als Außenstehende in solchen Konflikten müssen wir die Betroffenen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, wenn es sein muss auch gegen den Willen der Gewerkschaft. Nur so können wir dazu beitragen, dass die Klasse hierzulande lernt zu kämpfen – und zu siegen.