So oder So - Die Libertad!-Zeitung Nr. 12 /Winter 2002
Dieses Buch wurde u.a. in Labournet Austria (web.utanet.at/labournet.austria/020620/streik8.htm) beworben, das ist für uns der Grund, diesen Artikel nachzudrucken.
Quellenstudium der besonderen Art zum Elften.Neunten.
Scully: „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass kleine grüne Männchen diese Sauerei angerichtet haben?“
Mulder: „Ich will die Wahrheit wissen, und ich werde sie erfahren!“
Rund um den 11. September 2001 wurden bekanntlich eine Menge Verschwörungstheorien gesponnen; der Urheberschaft verdächtig waren CIA, rechte Kreise im US-amerikanischen Militär, die Illuminaten, und sogar Satan höchstpersönlich wurde bezichtigt.
Am Anfang jedoch stand erst mal, dass die USA Osama bin Laden und sein Al-Quaida-Netzwerk als Verantwortliche für die Anschläge auf WTC und Pentagon ausmachten, noch bevor für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Ermittlungsergebnisse vorliegen konnten. Über das zustande kommen dieser flugsen „Erkenntnis“ wollten wir hier allerdings nicht schreiben. Nur soviel: Sie hat im gleichen Maße, wie sie Erklärungen und Beweise schuldig blieb, zur Legendenbildung rund um die Angriffe des 11.9.2001 beigetragen. Eine davon besagt, die US-Geheimdienste wollten mit den Anschlägen den Vorwand für neue Angriffskriege liefern. Dass man an der Skrupellosigkeit des CIA keine Zweifel hegt - keine Frage. Aber warum sie dann gleich zu politischen Idioten erklären?
Endlich gibt es ein Buch, DAS Buch, das alle Fragen beantwortet. Vorgestellt in einigen Tageszeitungen, mit zahlreichen Rezensionen im Internet zu finden, sogar als Leseempfehlung auf einer Infoladen-Website: Angriff der Falken. Mit diesem Titel legt der Autor Wolfgang Eggert seine erste Spur: Falken, so werden die Hardliner im israelischen Kabinett genannt.
Nachdem man uns die Anschläge bereits als antijüdische Verschwörung präsentiert hatte, nun also eine jüdisch-israelische.
Eigentlich müsste man ein solches Buch links liegen lassen (können). Aber das Bedürfnis nach „einfachen“ Erklärungen und eindeutigen Einordnungen steigt mit dem zunehmenden Verlust des Überblicks über die weltweiten Machtverhältnisse und ihre Dynamiken. Und in diesem politischen Flachland können Verschwörungstheorien gedeihen und Anhänger finden.
Dem Wesen nach steht die Verschwörungstheorie am Anfang. Dann macht sich der Verschwörungstheoretiker auf den Weg: da wird hin- und herinterpretiert, aus dem sinnlichen und zeitlichen Zusammenhang gerissen, Einzelinformationen zu einem Gesamtwissen zusammengetragen, das tatsächlich erst im Nachhinein entstehen konnte, Informationen weggelassen, hier mal aufgebauscht, da mal bagatellisiert, bis das verschwörungstheoretische Gebäude auf vermeintlich festen Füßen steht wie die Pyramide der Illuminaten.
Der Autor Wolfgang Eggert arbeitet entsprechend mit groben Vereinfachungen, übertreibt maßlos und gibt widersprüchliche Thesen von sich. So seien die Arabischen Staaten „heute praktisch zur Gänze durch amerikanische Militärschläge bedroht“ (S. 24). Während auf der gleichen Seite bin Ladens „Al Quaida-Netzwerk“ als „privat geführte Terroristengruppe“ bezeichnet wird, die zu einer „ausgeklügelten Vorfeldplanung“ nicht in der Lage sei, wird sie auf Seite 62 durch die CIA zu „einer schlagkräftigen Macht aufgebaut, auf dass sie den Russen das fürchten lehrten“. Je nachdem, was beschworen werden soll.
Wenn wir auf S. 38 des Buches das erste Mal vom „Zionstaat“ lesen, haben wir einen weiteren Hinweis, in welche Richtung der Hase läuft: Hinter allem steckt letztendlich der Mossad, und damit die jüdische Weltverschwörung. Überhaupt verbergen sich hinter Eggerts Formulierungen antisemitische und rassistische Stereotypen, wie in folgendem Satz auf S.207: „Denn sowohl Anhänger Mohammeds wie Kinder Mose schienen sich plötzlich gleichermaßen für die Geschicke des WTC zu interessieren. Geringfügiges Unterscheidungsmerkmal: Während die Israeliten eher hintergründig vorgingen, präsentieren sich die Araber wie gehabt plump und schwerfällig.“
Wundern darf uns diese Schreibe Eggerts dann nicht, wenn wir Kenntnis von seinem dreibändigen Machwerk Israels Geheimvatikan besitzen. Der Autor „untersuchte ... die esoterischen Hintergründe des Judentums“. Er spürt eine „Okkultmosaische Zentrale“ auf, die „eine Anzahl politischer Frontorganisationen schuf, denen es ... gelungen ist, auf das Weltgeschehen hintergründig Einfluß zu nehmen. Der von den ‘Vollstreckern Gottes’ zuweilen selbst eingestandene Zielpunkt des machiavellistischen Treibens findet sich in der Bibel: Es ist die Vereinigung der gesamten Menschheit in einem weltumgreifenden Gottesstaat, der zentral von Jerusalem aus gelenkt wird“.
Eine Ähnlichkeit mit den „Protokollen der Weisen von Zion“ ist sicher nicht zufällig.
Wäre es nicht so dumpf und widerlich in seinem Absahnen und zugleich Füttern antisemitischer Ressentiments, könnte man über die lächerliche Dimension der eigentlichen „Verschwörung“ schmunzeln: Die zwischen Eggert, von Wisnewski „Geheimdienstexperte“, und dem Vorwortschreiber Wisnewski, von Eggert „Terrorismusexperte“(1) genannt.
Weit her kann es nämlich mit dem Expertentum eines Autoren nicht sein, wenn er sich - wie in vorliegendem Buch - am häufigsten auf die Wochenzeitung „Neue Solidarität“ bezieht: Sie ist das Organ der „Bürgerbewegung Solidarität“, mit Helga Zepp-LaRouche als Vorsitzende.
Die „Bürgerbewegung Solidarität“ ist Teil eines Netzes an Organisationen, die allesamt unter der Führerschaft von Lyndon LaRouche aus den USA nach Westeuropa importiert wurden. Internationale Konferenz der Arbeiterfraktionen (International Caucus of Labour Commitees) und Europäische Arbeiterfraktionen (European Labour Commitees), das waren die Bezeichnungen aus der Zeit, als LaRouche sich noch „Trotzkist“ nannte, bis dann der „Bund Freies Deutschland“ daraus hervorging. Mitte der 70er Jahre erschien der westeuropäische Ableger der in den USA gegründeten „EAP - Europäische Arbeiterpartei“ auf der Bildfläche, ab Mitte der 80er Jahre dann „Bürgergruppe Patrioten für Deutschland“. Seit 1992 werden wir von der „Bürgerbewegung Solidarität“ mit neuesten Verschwörungstheorien beglückt.
Wie alle klassischen Antisemit/innen unterscheidet der LaRouche Clan und seine „Bürgerbewegung Solidarität“ zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital: „‘Solidarität’ ist für die Redaktion kein abstrakter Begriff und keine hohle Phrase, sondern die Verpflichtung auf eine Weltordnung, in der die unveräußerlichen Rechte aller Menschen verwirklichbar sind. Das bedeutet heute u.a. ein Zurückdrängen der alles verzehrenden Spekulation zugunsten der Werte schaffenden Güterproduktion, Widerstand gegen die Demontage des Sozialstaates, Eintreten für Grenzen des Wachstums überwindende technische Revolutionen und für die Ankurbelung der Wirtschaft durch Mitarbeit am Bau der ‚eurasischen Landbrücke’“.
Hinter Clintons „Sex-Affäre“ vermutete LaRouche einen versuchten Staatsstreich, der die Welt an den „Rand eines steilen Abhangs“, und damit „in die Hölle führt“. Und am Ende „könnte der Einsatz israelischer Atomwaffen zum Auslöser eines allgemeinen Atomkriegs werden“.
Also, die 16,90 Euro sollte man sich lieber sparen. Außerdem werden Verschwörungstheorien von Dana Scully und Fox Mulder in Akte X viel charmanter und humorvoller präsentiert.
(1) In dem Buch „Das RAF-Phantom“, das Wisnewski zusammen mit W. Landgraeber und E. Sieker schrieb, wird die „dritte Generation“ der RAF als Geheimdienstprojekt konstruiert. Nach Meinung der Autoren damit beauftragt, Herrhausen und Rohwedder als „politisch und wirtschaftlich Andersdenkende“ auszuschalten, da sie „für die herrschenden Machtstrukturen unbequem waren“.