Komitee gegen den imperialistischen Krieg & Devrimci Sol Gücler; Hamburg, 19.1.1993
“Wir heißen Butros Ghali nicht willkommen.
Er ist unser Feind!”*
Die Intervention der UNO-Truppen in Somalia heißt Massaker, Elend und Ausbeutung.
Die Imperialisten führen keine Kriege mehr, stattdessen helfen sie mit “humanitären Maßnahmen”. Dieses Flugblatt soll einen Beitrag leisten, diese Propagandalüge und “Legitimation”, die bis weit in fortschrittliche Kreise verbreitet ist, zu wiederlegen und den Angriff auf Somalia zu erklären.
Somalia liegt mit seinem “Horn von Afrika” am Golf von Aden gegenüber der arabischen Halbinsel und grenzt im Norden an Äthiopien und im Süden an Kenia. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Nomaden, die Viehherden hatten und Ackerbau betreiben. Zur Kolonialzeit war der Nordteil unter britischer, der Südteil unter italienischer Herrschaft. Damit begann die systematische und gewaltsame Ausbeutung des somalischen Volks und die Plünderung seiner Resourcen.
1969 putschte das Militär gegen eine korrupte, neokolonialistische abhängige Regierung, und Siad Barre wurde zum Präsidenten. Die Regierung unter Siad Barre orientierte sich zunächst an der UdSSR und erhielt wirtschaftliche Unterstützung von dort. Verschiedene Faktoren führten in den 70er Jahren dazu, daß der Einfluß der USA zunahm: Die Ölkrise Anfang der 70er und später der Sturz des US-treuen Schahs im Iran machten die strategisch günstigen Lage Somalias zum arabischen Raum mit seinen Ölfeldern für die USA von Interesse, dazu kamen die Ölfelder in Somalia selbst. So floß schon Anfang der 70er Jahre US-´Hilfe´ von 700 Milllionen US-Dollar nach Somalia. Gleichzeitig konzentrierte sich die UdSSR zunehmend auf die Unterstützung des benachbarten Äthiopiens. Mit dem somalischen Grenzkrieg ab 1977 gegen Äthiopien um das Gebiet Ogaden war der Bruch mit der UdSSR endgültig vollzogen.
Die Lage in Somalia verschlechterte sich daraufhin rasch: Die Auslandsverschuldung stieg bis zum Ende der 80er Jahre soweit, daß der Schuldendienst an das Ausland die Exporteinnahmen überstieg. Infolge des Grenzkrieges gegen Äthiopien flüchteten 600.000 Menschen in andere Landesteile, vielfach in Flüchtlingslager. Die Lebensbedingungen verschlechterten sich, die Abhängigkeit von westlichen Lebensmittellieferungen nahm zu. Der Militärapparat wurde mit westlicher Hilfe ausgebaut und auch gegen die eigenen Bevölkerung eingesetzt.
In den 80er Jahren entwickelten sich verschiedene Kräfte, die das Siad Barre bekämpften. 1981 wurde im Londoner Exil die Somalische National-Bewegung (SNM) gegründet, die sich gegen die Marginalisierung des weniger entwickelten Nordens durch die vom Süden dominierte Zentralregierung richtete und kurze Zeit später mit äthiopischer Unterstützung den bewaffneten Kampf begann. Militärisch bedeutsam wurden noch der Vereinigte Somalische Kongres (USC) und die Somalische Patriotische Bewegung (SPM), die sich beide in Somalia gründeten. Die Basis all dieser Organsisationen sind die feudalen Clanstrukturen Somalias. Am 27. Jänner 1991 kam es nach achtwöchigen schweren Kämpfen zum Sturz von Siad Barre, nachdem auch die USA Ende der 80er Jahre ihre Unterstützung für das Siad-Barre-Regime reduziert hatten.
Entgegen der Absprache aller Anti-Barre-Bewegungen, eine Nationalkonferenz zur politischen Neuordnung Somalias als Förderation zu organisieren, erklärte der USC Ali Mahdi Mohammed zum neuen Staatschef. In den folgenden Unruhen kam es zur Abspaltung Nordsomalias und im September 1991 zur Spaltung des USC; Interims-Staatschef Mahdi auf der einen und USC-Präsident Mohammed Farrah Aidid auf der anderen Seite. Hinter den Mahdi- und Aidid-Flügeln formierten sich seitdem die verschiedenen somalischen Gruppierungen. Militärisch weitaus stärker war und ist das Aidid-Lager, es kontrolliert den Süden und Südwesten Somalias, Mahdi beherrscht nur noch einen schmalen Landstreifen nördlich von Mogadischu. (Politische Berichte (PB) 26/92, Frankfurter Rundschau (FR) 31.8. u. 16.9.92)
Am 3. März 1992 kam es zum Waffenstillstand zwischen Mahdi und Aidid. Unter dem Vorwand der Sicherung des Waffenstillstandes und der Hungerhilfe begann die UNO im Juli mit dem Einsatz von 50 UN-Beobachtern und im September 500 UN-Soldaten. Aidid widersetzte sich immer wieder der UN-Einmischung, so kam auch der von der USA initiierte UN-Sicherheitsrat-Beschluß vom 3. Dezember zum Kampfeinsatz in Somalia nicht mit Zustimmung aller somalischen Kräfte zustande. Diese Resolution erlaubt die ´Anwendung aller notwendigen Mittel´ auf unbestimmte Zeit. Geplant ist der Einsatz von 34.000 Soldaten unter US-Oberbefehl, davon 28.000 aus den USA. In der BRD bewirkte die bevorstehende Intervention eine Beschleunigung der Diskussion um Bundeswehrkampfeinsätze. Regierungs- und Oppositionspolitiker forderten einhellig die Beteiligung deutscher Soldaten am Somalia-Einsatz. Noch im Dezember wurde der Einsatz von 1500 Bundeswehrsoldaten beschlossen.
In der Nacht zum 9. Dezember begann die US-Intervention in Somalia, seitdem wurden von den USA und den anderen Westmächten trotz Protesten und Demonstrationen in Somalia alle größeren Städte im Süden Somalias besetzt. Obwohl die USA nicht generell alle Somalis entwaffnen will, wurde zb. gezielt ein Waffenlager Aidids angegriffen und aufgelöst. Trotz Hinweisen über Massaker in Somalia, beispielsweise einer einmaligen Fernseh-Nachricht über ein Massaker an Frauen und Kindern, wird über die somalischen Opfer der Intervention nicht berichtet.
Zur imperialistischen Neuordnung Somalias wurden die somalischen Kriegsparteien zu einer UNO-´Friedenskonferenz´ in der äthiopischen Stadt Addis Abeba gedrängt, die aber aufgrund Aidids stockt, der der UNO Einmischung in die inneren Angelegenheiten Somalials vorwirft. Ein Ende der imperialistischen Einmischung und des imperialistischen Krieges gegen Somalia ist nicht absehbar. (FR 18.7., 13.8., 29.10., 5.12.,10.12.92, 6.1.,, 8.1., 13.1.93)
* Zur Überschrift: Plakattext bei einer Demonstration gegen die UNO-Politik zu Somalia anläßlich des Besuchs von UNO-Generalsekretär Butros Gali am 3. Jänner 1993 in Mogadischu. Wegen Steinwürfen aus der Demonstration flüchtete Butros Gali in die US-Botschaft.
Warum intervenierte der Imperialismus militärisch?
Die Intervention - so die Propaganda - sei notwendig, um den Kampf gegen den Hunger zu führen.
Nun in der Hunger in Somalia weder hausgemacht, noch kam er über Nacht. Nach dem Wechsel ins westliche Lager war Somalia gezwungen, auf Export zu orientieren, und verkaufte - ohne die kriegsgeschädigte Selbstversorgung stabilisieren zu können - buchstäblich sein letztes Hemd: bei 1.7 Milliarden US-$ Auslandsverschuldung und Rückständen von 77 Millionen gegen über dem IWF leistete Somalia 1989 einen Schuldendienst von 65 Millionen Dollar. Der Export brachte bloß 59 Millionen Dollar für Vieh und Bananen. (PB 26/92)
Und jetzt dienen sich die imperialistischen Blutsauger als Retter an? Haben sie es plötzlich doch "nicht so gemeint"?
Nein, sie stoßen nach, um die Ressourcen eines Landes, ja einer ganzen Region noch fester in den Griff zu bekommen:
1) Somalia liegt am ”Horn von Afrika”, der östlichen Ecke Afrikas, von der arabischen Halbinsel nur durch den Golf von Aden getrennt, am Eingang zum Roten Meer. Damit hat das Land eine enorme geostrategische Funktion sowohl zur Kontrolle des arabischen Raums als auch zur Absicherung des Transportweges zum Suez-Kanal. So haben die USA schon seit den 70er Jahren einen Marinestützpunkt im somalischen Berbera. Die USA sind be­strebt, alle Anrainerstaaten der Wasserstraße, die das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbindet, unter ihre Kontrolle zu bringen - auf der arabischen und der mittelafrikanischen Seite (Mücadele 2.1.93). Der Erhalt eines proimperialistischen Regimes in Somalia ist daher sehr wichtig.
2) Die geostrategische Bedeutung ergibt sich aus der für die imperialistischen Zentren notwendigen Kontrolle über die Erdölförderung. Doch in dieser Hinsicht ist Somalia nicht nur militärstrategischer Außenposten, von dem die USA die Rohstoffausbeutung auch anderer imperialistischer Mächte kontrollieren können.
Bei der Landung am 9. Dezember brachten die US-Truppen nicht nur Militärgerät mit. Innerhalb eines knappen Monats verbuchte die Intervention einen ersten großen Erfolg, der bezeichnenderweise kaum durch die Medien ging: 26 Ölquellen waren bis Januar unter dem Schutz des militärischen Einsatzes in dem ´führungslosen Land´ von US-amerikanischen Firmen angebohrt worden. (türkische Presse 6.1.93)
Das Interesse der USA am somalische Öl ist schon älter. US-Firmen suchen im Grenzbereich zu Kenia schon seit Jahren, wie Regierungsvertreter in Nairobi bestätigen. Vor zwei Jahren gab es zwischen Somalia und Kenia Streit um die Förderung des Rohstoffes. Jetzt sitzen US-Firmen auf den Bohrlöchern.
Nach dem Sturz des US-Schützlings Barre und der Phase offenkundigen Schwäche der Fraktion Mahdis geht es also um die Etablierung eines Regimes, das die Kontrolle über das Land auch durchsetzen kann. Dabei eignen sich die USA gleich noch die Erdölförderung eines der ärmsten Staaten an, dem - so die imperialistischen Flötentöne - ´geholfen werden muß´. Ob dieser dreckige Akt der Besetzung vor der Weltöffentlichkeit unter dem Deckmantel des ´humanitären Hilfseinsatzes´ durchgeht, ist zudem ein willkommener Test für weitere, noch zu lösende ´Aufgaben´, beispielsweise der Aufteilung Ost- und Südeuropas nach imperialistischen Interessen. In Somalia, wie auch in Jugoslawien spielt die UNO eine Rolle weiter, die sie mit aller Deutlichkeit schon im Krieg gegen den Irak im Juni 1991 angenommen hat. Die UNO aber ist keine über allen (Klassen-)Interessen stehende Ausgleichsinstanz, wie sie gerade in der westlichen Öffentlichkeit (und zunehmend auch bei fortschrittlichen und linken Kräften) wahrgenommen wird.Von den Imperialisten begründet und dominiert, war sie seit jeher der Spiegel des weltweiten Kräfteverhältnisses zwischen Imperialismus und Befreiung. Seit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten hat sie sich zum blanken Mittel der Durchsetzung imperialistischer Interessen entwickelt. Sie koordiniert heute den Angriff der imperialistischen Zentren auf die Völker der Drei Kontinente und die Länder Osteuropas, die der kapitalistischen Verwertung bislang entzogen waren.
Das Hinterland ist ruhig geworden. Lassen wir ihnen nicht diese Ruhe!
Es ist unsere Aufgabe, die Funktion der UNO zu demaskieren und anzugreifen!
Protestiert gegen die Besetzung Somalias! Mobilisieren wir gegen die drohende Intervention auch des BRD-Imperialismus in Jugoslawien!
Nieder mit dem Imperialismus, dem Feind der unterdrückten Völker!
UNO-Kriegstruppen raus aus Somalia!
Kein Soldat und keine Mark für den imperialistischen Krieg!
Schluß mit der Kriegstreiberei! Weg mit der Bundeswehr!
Es gibt keine Alternative zur
Revolution!