http://dailymaverick.co.za/article/2012-08-30-the-murder-fields-of-marikana-the-cold-murder-fields-of-marikana, Greg Marinovich, 30.8.20121
Kaltblütige Morde in Marikana
Einige der Bergarbeiter, die bei dem Massaker am 16. August in Marikana umgebracht wurden, scheinen aus nächster Nähe erschossen oder von Polizeifahrzeugen zerquetscht worden zu sein. Sie wurden nicht von einer Salve getroffen, die Polizisten aus Selbstschutz abgegeben haben, wie es offiziell heißt. Greg Marinovich verbrachte zwei Wochen damit draufzukommen, was tatsächlich geschah. Was er herausfand, ist äußerst beunruhigend.
Von den 34 Bergarbeitern, die bei Marikana umgebracht wurden, wurden nicht mehr als ein Dutzend von den Kameras der Medien vor Ort erfasst. Die Mehrheit derjenigen, die starben, so berichten überlebende Streikende und RechercheurInnen, wurden abseits der Kameras getötet, bei einer unscheinbaren Ansammlung von Felsen, rund 300 Meter hinter Wonderkop.
Auf einem dieser Felsen, der von allen Seiten von soliden Granitbrocken umgeben ist, steht der Buchstabe „N“, der 14. Buchstabe des Alphabets. Dieses N steht für die 14. Leiche eines streikenden Bergarbeiters, die von einem forensischen Team der Polizei an diesem einsamen Ort aufgefunden worden ist. Diese Buchstaben werden von Forensikern benutzt, um genau festzuhalten, wo Leichen liegen.
Es gibt eine dicke Schicht von Blut, die sich tief in die trockene Erde zieht, was anzeigt, dass N an Ort und Stelle erschossen worden ist. Es gibt keine Blutspur, die dorthin führt, wo N starb – das Blut findet sich nur an einem Punkt, was auf keine weiteren Bewegungen hindeutet. (Es wäre für den Menschen gar nicht möglich gewesen, hierher zu kriechen angesichts der starken Blutung.)
Wenn mensch sich N aus allen möglichen Richtungen nähert, und wenn mensch die lokalen topographischen Gegebenheiten berücksichtigt, dann wird klar, dass der Schütze, um N zu erschießen, sehr nah gewesen sein muss. Sehr nah, tatsächlich, nahezu in Reichweite. (Nachdem ich Tage hier an diesem Ort des blutigen Massakers verbracht habe, brauche ich nicht viel Vorstellungskraft, um zu meinen, dass N an diesem Winterabend um sein Leben gebettelt haben könnte.)
Und an diesem tödlichen Donnerstag Nachmittag kann Ns Mörder nur ein Polizist gewesen sein. Ich sage Mörder, denn es gibt von diesem Tag keinen einzigen Bericht über einen verletzten Polizisten. Ich sage Mörder, denn es scheint hier keinerlei Versuch gegeben zu haben, das Recht unserer BürgerInnen auf Leben und auf ein faires Verfahren zu respektieren. Es ist schwer vorstellbar, dass N Widerstand gegen seine Verhaftung geleistet hat, wenn er so eingekesselt war. Es gibt hier keine Möglichkeit, aus der Umzingelung durch die Polizisten zu flüchten.
Andere Buchstaben verweisen auf ähnlich grauenhafte Szenarien. „J“ und „H“ starben nebeneinander. Auch sie hatten keinerlei Fluchtmöglichkeit und müssen aus kürzester Distanz erschossen worden sein.
Weitere Buchstaben finden sich auf den umliegenden Felsen. Ein blutiger Handabdruck findet sich auf einem aufragenden Felsen, wo jemand versuchte, sich aufzurichten; viele andere Felsen sind bespritzt von dem Blut der Minenarbeiter, die am Nachmittag des 16. August starben.
Keiner dieser Vorfälle wurde von den Medien beobachtet oder fotografiert. Über sie wurde nur als Teile der größeren Tragödie, die sich hier abgespielt hat, berichtet.
Einer der streikenden Bergarbeiter, der in dem Chaos gefangen war, nennen wir ihn „Themba“, sein Name ist dem Daily Maverick bekannt, erinnerte sich an das, was er sah, als er den Todesfeldern um Wonderkop entkam.
„Die meisten Leute riefen uns dann dazu auf, den Hügel zu verlassen, und als wir runterkamen, begann die Schießerei. Die meisten Leute wurden nahe dem kraal erschossen, als sie versuchten, in die Siedlung zu kommen; das Blut, das wir gesehen haben, stammt von ihnen. Wir rannten in die andere Richtung, aber es war unmöglich, durch den Kugelhagel zu kommen.
Wir rannten, bis wir zum Versammlungsplatz kamen, und verfolgten den Vorfall am Hügel. Zwei Hubschrauber landeten; Soldaten und Polizisten umstellten das Gebiet. Wir sahen niemand von dem Hügel entkommen.“
Die Soldaten, die er erwähnt, waren in Wirklichkeit Teil des Einsatzteams der Polizei in Tarnuniformen, die von einem Militärfahrzeug zum Schauplatz gebracht worden sind. Darüber befragt, sagte Themba, er glaube, dass sich Leute beim Hügel versteckt hätten, und dass die Polizei dort eingedrungen sei und sie umgebracht hätte.
In den Tagen nach der Schießerei besuchte Themba Freunde im nahegelegenen Spital der Mine. „Die meisten Leute, die im Spital liegen, wurden im Rücken getroffen. Die, die ich im Spital gesehen habe, wiesen eindeutige Spuren auf, dass sie von den Nyalas2überrollt wurden“, sagte er. „Ich habe es nie bis in die Leichenhalle geschafft, aber die meisten Leute, die dort waren, erzählten mir, dass sie die Gesichter der Toten nicht wiedererkennen konnten (sie waren entweder von Kugeln oder deshalb, weil sie überrollt worden sind, entstellt).“
Es wird klar, dass schwer bewaffnete Polizisten runtergerannt sind und die Bergarbeiter kaltblütig umgebracht haben. Eine Minderheit wurde bei den gefilmten Vorfällen umgebracht, und hier behauptet die Polizei, sie habe in Selbstverteidigung gehandelt. Der Rest war Mord in großem Ausmaß.
Peter Alexander, Vorsitzender bei Social Change und Professor der Soziologie an der Universität von Johannesburg und zwei ForscherInnen interviewten in den Tagen nach dem Massaker ZeugInnen. Der Forscher Botsong Mmope sprach am 20. August mit einem Minenarbeiter, Tsepo. Tsepo (nicht sein wahrer Name) beobachtete einige der Vorfälle, die abseits der Kameras geschahen.
„Tsepo sagte, dass viele Menschen auf dem kleinen Hügel umgebracht wurden, und dass das (von den Medien) niemals erwähnt worden sei. Er stimmte zu, uns zu dem kleinen Hügel zu bringen, denn dort sind sehr viele Menschen gestorben“, sagte Mmope.
Nachdem die Schießerei begonnen hatte, sagte Tsepo, befand er sich unter vielen, die in Richtung des kleinen Hügels rannten. Als die Polizei sie zu jagen begann, sagten einige von ihnen: „Legen wir uns hin, Genossen, dann werden sie nicht auf uns schießen.“
„Zu diesem Zeitpunkt wurden sie von einem Hubschrauber, der über ihnen kreiste, beschossen. Tsepo legte sich also hin. Eine Anzahl von seinen Kollegen ebenfalls. Er sagt, er beobachtete, wie Nyalas über die liegenden, lebendigen Bergarbeiter fuhren“, sagte Mmope. „Andere Arbeiter rannten zu dem Hügel, und dort wurden sie von der Polizei und der Armee mit Maschinengewehren erschossen.“ (Mehrere ZeugInnen und SprecherInnen bei dem Treffen der Bergarbeiter sprachen von der Armee, oder amajoni3, inzwischen sprechen sie von einer Spezialeinheit der Polizei in Tarnuniformen und an diesem Tag mit halbautomatischen R5-Gewehren bewaffnet. – GM)
Als die Schießerei schließlich vorbei war, schaffte es Tsepo, in Richtung Norden zu entkommen.
Die Polizei brauchte mehrere Tage, um die Anzahl der Getöteten zu ermitteln. Die Anzahl von 34 Toten überraschte die meisten von uns. Nur rund ein Dutzend Tote sahen wir im Fernsehen, wo also genau sind die Bergarbeiter umgebracht worden, und wieso mussten sie sterben?
Die meisten JournalistInnen und anderen Menschen haben diese Fragen nicht gestellt. Die Gewalt, die von den Toten ausgegangen war, die wir sehen konnten, reichte aus, um sich zufrieden zu geben. Die Polizei erwähnte natürlich nicht, was außerhalb der Sicht der Kameras geschah.
Die Anzahl von 112 Minenarbeitern (34 Tote und 78 Verletzte) bei Marikana ist einer dieser wenigen bitteren Momente in unserer blutigen Geschichte, der von Kameras erfasst worden ist. Von mehreren Kameras, und von verschiedenen Standorten aus.
Das hat dazu beigetragen, dass die Aktionen und Reaktionen beider Seiten, der Streikenden und der Polizei auf eine Weise überprüft werden konnten, wie nicht dokumentierte Tragödien nie überprüft werden können. Während die Motive und Überlegungen beider Parteien niemals völlig klar sein werden, werden ihre Handlungen ziemlich offenbar.
Und so entwickelte sich innerhalb des öffentlichen Diskurses eine vorherrschende Erzählung. Die Fakten, die von der Polizei, von unterschiedlichen staatlichen Institutionen und von den Medien präsentiert wurden, besagten, dass die Streikenden ihren Tod selbst provoziert hätten, weil sie die Ordnungskräfte angegriffen und beschossen hätten. Tatsächlich können die verschiedenen Fotos und Filmsequenzen als Beleg für diese Behauptung aufgefasst werden.
Die gegenteilige Sichtweise ist, dass die streikenden Bergarbeiter den Gummigeschossen und dem Tränengas zu entkommen versuchten, als sie auf die schwer bewaffneten Spezialkräfte (d.h. auf unsere Variante der SWAT4-Teams) zuliefen. Das Ergebnis waren die schrecklichen Bilder von einem Dutzend Männern, die von einer Salve aus automatischen Waffen niedergemäht wurden.
Von außerhalb des Durcheinanders von Granitblöcken bei dem kleinen Hügel, den verwitterten Überresten eines prähistorischen Bergs, betrachtet, scheint es, dass ansonsten hier keine Brutalitäten, außer dem Fällen großer Bäume zwecks Feuerholzbeschaffung passiert seien.
Aber befindet mensch sich erstmal innerhalb dieses Kreises, dann läuft mensch durch enge Durchlässe zwischen den verwitterten bushveld5-Felsen in Sackgassen. Verstreute Reste menschlicher Ausscheidungen und Toilettenpapier zeigen an, wo sich die gemeinsame Toilette der Bergarbeiter, die in den Baracken-communities keine Toiletten haben, befunden hat.
Hier, dem Blick von außen verborgen, finden sich die gelben Buchstaben, die von dem forensischen Team dort hingesprayt worden sind, wo sie die Leichen der Bergarbeiter fanden. Der Buchstabe N scheint die Anzahl der Toten an diesem Ort auf 14 zu erhöhen. Einige der anderen Buchstaben sind schwer zu erkennen, vor allem dort, wo sie auf trockenes Gras und auf Sand gesprayt wurden.
Die gelben Buchstaben sprechen, als wären sie die Stimmen der Toten. Die Position der Buchstaben, die die Überreste von einst schwitzenden, keuchenden, fluchenden, flehenden Männern bilden, erzählen eine Geschichte, in der Polizisten Männer wie Bestien jagten. Sie erzählen über dutzende von Morden aus nächster Nähe, an Orten, die von außen nicht einsichtbar sind.
N beispielsweise starb in einer schmalen Verschanzung, die von vier Seiten von massivem Fels umgeben ist. Sein Mörder kann nicht weiter als zwei Meter von ihm entfernt gestanden sein – die Geographie erlaubt keine andere Möglichkeit.
Warum?
Gehen wir noch einmal zurück zu den Vorfällen vom Montag, 13. August, drei Tage vor diesen Vorfällen.
Themba, einer Bergarbeiter in zweiter Generation aus Ost-Kap, war auch damals zugegen. Er war Teil einer Gruppe von etwa 30 Streikenden, die ausgesandt worden waren, um über das veld zu einer anderen Lonmin-Platinmine, Karee, zu gehen.
Es war die Karee-Mine, in der andere Mineure einen wilden Streik durchführten, um bessere Löhne durchzusetzen. Die National Union of Mineworkers unterstützte sie nicht, und das Management fuhr eine harte Linie. Der Streik war nicht erfolgreich, viele der Streikenden verloren ihre Jobs. Die Bergarbeiter von Marikana nahmen an, dass es dort eine Menge Bergarbeiter gab, die immer noch zornig genug waren, um sich ihnen in Wonderkop anzuschließen.
Die Streikenden aus Marikana haben ihre Kollegen niemals erreicht; stattdessen wurden sie von der security der Minenbesitzer abgefangen und auf einem anderen Weg zurückgeschickt, als auf dem, den sie gekommen waren.
Auf dieser Straße trafen sie auf ein Kontingent Polizisten. Themba sagte, dass es rund 10 Nyalas und ein oder zwei Polizei-LKWs oder Transporter waren. Die Polizisten verstellten ihnen den Weg und wiesen sie an, ihre Waffen niederzulegen. Die Arbeiter weigerten sich, sie sagten, sie brauchten die Macheten, um Holz zu machen, denn sie lebten im Busch, und ehrlicherweise fügten sie hinzu, dass sie sie auch zur Selbstverteidigung brauchten.
Am Freitag davor, sagten sie, seien drei von ihnen von Leuten, die rote NUM T-Shirts trugen, umgebracht worden.
Die Polizeikette öffnete sich und sie wurden durchgelassen, aber nachdem sie etwa 10 Meter weit gekommen waren, eröffnete die Polizei das Feuer auf sie.
Die Bergarbeiter wandten sich um und griffen die Polizisten an.
Hier, sagte er, brachten sie zwei Polizisten um und verletzten einen weiteren. Die Polizei brachte zwei Bergarbeiter um und ein dritter wurde schwer verletzt, als ein Hubschrauber das Feuer eröffnete, sagte Themba. Die Bergarbeiter trugen den Verletzten zurück nach Wonderkop, von wo er mit dem Auto ins Spital gebracht wurde. Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.
Als der Polizeisprecher Captain Dennis Adriao zu diesem Zwischenfall telefonisch befragt wurde, sagte er, dass Sicherheitspolizisten von Bergarbeitern angegriffen worden seien, die zwei Polizisten zu Tode hackten und einen weiteren ernsthaft verletzten. Er sagte, acht Leute seien wegen dieses Vorfalls verhaftet worden, und wegen der 10 Toten vor dem 16. August. „Zwei sind unter Aufsicht im Spital, sie wurden beim Angriff auf die Polizei verletzt.“
Die Polizei-Version dieses Vorfalls unterscheidet sich erheblich von der von Themba, aber was feststeht ist, dass die Polizei bereits Leute verhaftet hatte wegen der bis dahin geschehenen Morde.
Wieso dann die Eile, den tausenden, die in Wonderkop campierten, in den Tagen vor dem 16. August entgegen zu treten?
Aber lassen wir uns hier nicht zu sehr von diesen auf der Hand liegenden Fragen ablenken, kehren wir zu den Vorfällen vom 16. August selbst zurück.
Auf der website South African Government Information findet sich immer noch dieses Statement, das vom Tag des Massakers in Marikana datiert:
„Nach intensiven und erfolgreichen Verhandlungen von Mitgliedern der SAPS6zwecks Entwaffnung und Zerstreuung einer schwer bewaffneten Gruppe von sich illegal Versammelnden bei einem Hügel nahe der Lonmin-Mine bei Rustenberg in der Provinz Nord-West wurde die südafrikanische Polizei von dieser Gruppe bösartig angegriffen, die eine Anzahl unterschiedlicher Waffen, darunter Feuerwaffen verwendete. Die Polizei war aus Gründen der Eigensicherung und Selbstverteidigung gezwungen, der Gruppe mit Gewalt entgegen zu treten. Das führte dazu, dass leider mehrere Menschen verletzt, andere schwer verletzt wurden.“
Dieses polizeiliche Statement hält ganz klar fest, dass die Polizei in Selbstverteidigung agierte, trotz der Tatsache, dass am 16. August nicht ein einziger Polizist verletzt wurde.
Wie wir bereits früher diskutiert haben, ist es möglich, das, was sich auf den Filmdokumenten findet, als Überreaktion der Polizei auf eine Bedrohung zu interpretieren. Was danach geschah, 400 Meter von dem Kleinen Hügel entfernt, ist was anderes. Dass gepanzerte Polizeifahrzeuge über am Boden liegende Bergarbeiter fuhren, kann nicht als irgendeine Form von polizeilicher Tätigkeit beschrieben werden.
Die Anordnung dieser gelben, gesprayten Buchstaben erzählt eine ernüchternde und grauenhafte Geschichte und verleiht dem, was die Streikenden berichtet haben, größere Glaubwürdigkeit.
Ein Bergarbeiter erzählte am Morgen nach dem Massaker dem Daily Maverick, „als einer unserer Arbeiter an einem Nyala vorbeikam, saß da ein Jugendfreund von ihm aus Ost-Kap drinnen, und der erzählte ihm, dass heute D-Day sei, dass sie gekommen waren, um zu schießen. Er sagte, es gäbe ein Papier, das sie dazu ermächtige, auf uns zu schießen.“
Die Art, wie sich dieser Polizist angeblich geäußert hat, ist verblüffend ähnlich der, die Adriao am 16. August verwendete, und wie MineWeb zitierte: „Wir haben tagelang versucht, mit den Führern zu verhandeln und mit denen, die sich bei der Mine versammelt haben, unser Ziel ist es, die Leute dazu zu bringen, ihre Waffen abzugeben und sich friedlich zu zerstreuen.
Heute ist D-Day, das heißt, wenn sie das nicht befolgen, dann werden wir handeln müssen … wir werden hart durchgreifen müssen“, sagte er.
Etwas später kommentierte er: „Leider ist heute D-Day“, sagte Polizeisprecher Dennis Adriao. „Es ist eine illegale Versammlung. Wir haben versucht zu verhandeln, und das werden wir wieder tun, aber wenn das nichts fruchtet, werden wir offensichtlich zu einer taktischen Phase übergehen müssen.“
Wenn es um die Frage der möglichen Absichten der Polizei geht, dann sollten wir uns ansehen, wie die eingesetzten Polizisten bewaffnet waren. Die Waffen, die die meisten der 400 Polizisten, die vor Ort waren, einsetzten, waren R5 (ein lizenzierter Nachbau der israelischen Galil SAR) oder LM5-Sturmgewehre, die für den Einsatz durch die Infanterie oder polizeiliche Einsatzkommandos gebaut werden. Diese Waffen können keine Gummigeschosse abfeuern. Die Polizei war eindeutig in militärischer Art bewaffnet – um zu töten, nicht um mögliches aufständisches Verhalten zu bekämpfen.
Der Tod ihrer drei Kameraden drei Tage zuvor schuf das Bühnenbild für die Polizei, die, immer stärker der Brutalität, Folter und Tötung von Gefangenen beschuldigt worden ist, bis hin zu Racheakten. Was unklar bleibt ist, wie hoch in der Befehlskette dieser Rachewunsch reichte.
Es gab eine Verschleierung der Polizeiarbeit und ein punktuelles Stillschweigen in einer demokratischen Gesellschaft, in der die Polizei theoretisch den BürgerInnen gegenüber verantwortlich ist, wie auch gegenüber unseren gewählten VertreterInnen. Wir leben in einem Land, in dem Menschen als unschuldig gelten, solange ihre Schuld nicht bewiesen wurde; in dem Massenexekutionen durch die Polizei nicht erlaubt sind.
Machen wir uns keine falschen Vorstellungen. Die streikenden Bergarbeiter sind keine Engel. Sie können so gewalttätig sein wie irgendjemand sonst in unserer Gesellschaft. Und in einer aufgeheizten Situation wie bei Marikana erst recht. Sie sind zornig, ohnmächtig, fühlen sich betrogen und möchten höhere Löhne als solche, die bloß das nackte Überleben abdecken. Wie brauchbar ihre Argumente auch immer sein mögen, und welche Verbrechen auch immer einige einzelne von ihnen begangen haben mögen, über 3.000 Menschen, die sich bei Wonderkop versammeln, haben es keinesfalls verdient, Opfer von Massenerschießungen und von völlig willkürlichen Exekutionen durch eine paramilitärische Polizeieinheit zu werden.
In diesem Licht betrachtet können wir die Vorfälle vom 16. August als den Mord an 34 und den Mordversuch an weiteren 78 Menschen betrachten, die überlebt haben, obwohl die Polizei offensichtlich beabsichtigte, sie umzubringen.
Zurück bei den Felsen auf dem Kleinen Hügel, dort wächst ein wilder Birnbaum zwischen den Haufen von menschlichen Exkrementen; ein Ort des Horrors, der bisher für die Öffentlichkeit unbekanntes Terrain war. Es könnte der Ort sein, an dem die Verfassung von Südafrika ihre letzte Stunde erlebt hat.
Anmerkung Daily Maverick: Wir haben diese Fragen der Polizei gestellt, und die sagt, dass sie sie nicht kommentieren kann, sie möchte auch keine weiteren Details bekanntgeben dazu, was am und um den Kleinen Hügel am 13. August geschah. Wir warten auf weitere Kommentare von seiten des Innenministeriums.
Anmerkungen
1 Greg Marinovich, geb. 1962 in Südafrika, ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Fotograf und Co-Autor von „The Bang Bang Club“, einem nonfiction-Buch über Südafrikas Übergang zur Demokratie. Er hat 25 Jahre lang auf der ganzen Welt bei Konflikten, für Dokumentationen und für die Berichterstattung fotografiert. Seine Fotos sind in internationalen Publikationen wie Time, Newsweek, The New York Times, The Washington Post, Wall Street Journal, The Guardian (London) usw. abgedruckt worden.
Er ist Vorsitzender des Nominierungskomitees der World Press Master Class für Afrika und war zwischen 1994 und 2005 Jurymitglied bei World Press Photo. 2009 erhielt er den Nat Nakasa-Preis für couragierten Journalismus. Marinovich war Chefredakteur des Twenty Ten-Projekts und verantwortlich für die Koordination der Arbeit von mehr als 100 JournalistInnen in unterschiedlichsten Medien.
Gegenwärtig ist er Redakteur für IMaverick und Daily Maverick, selbstständiger Fotograf, produziert einen Film über die ehemaligen Militanten im township Thokoza, Südafrika, und schreibt ein nonfiction-Buch über einen berüchtigten Mörder, der ausgerechnet Marinovich‘s Mutter heiratete.
2 Polizeifahrzeuge (Nyala sind eigentlich Antilopen, also ähnlich den “Leopard”-Panzern u.ä. hier)
3 Amajoni Security CC, Roodepoort, Johannesburg, security-Unternehmen
4 US-Spezialeinheiten (“Special Weapons and Tactics)
5 Bushveld wird die Lagerstätte der Edelmetalle, an der sich auch Marikana befindet, genannt. Es handelt sich um ca. 2 Milliarden Jahre alte Gesteinsformationen.
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