Info-Verteiler-Beitrag zur Broschüre des Bündnisses „Opernball angreifen“
Daten zur sozialen Lage1
Reichtum
Global
1997 überstieg der Reichtum der damals weltweit 358 Milliardäre das Jahreseinkommen der Länder, in denen fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebte. Diese 358 Reichen besaßen 760 Milliarden US-Dollar2, was dem Einkommen der 2,5 Milliarden ärm­sten Menschen der Welt entsprach, also von 45% der Weltbevölkerung.
2002 betrug der Reichtum der 358 Reichsten bereits 1.389 Milliarden Dollar, er hatte sich damit in den letzten 5 Jahren nahezu verdoppelt.3
USA
Der Nettowert des Reichtums und des Einkommens der 400 reichsten Amerikaner stieg laut Forbes von 92 Milliarden Dollar (1982) auf 328 Milliar­den Dollar (1993) an. Das ist mehr als das gesamte BSP von einer Mil­liarde Menschen, die in Indien, Bangladesh, Sri Lanka und Nepal leben5.
Zu Beginn der neunziger Jahre waren 83% der Aktien (ohne Aktienpakete, die von Pensionsfonds gehalten werden) in den Händen der reichsten 10%. Und noch deutlicher: 37% des Aktienvermö­gens waren in der Hand von 0,5% der Reichsten6.
Die Anzahl der Milliardäre in den USA stieg von einer Person im Jahre 1978 auf 120 im Jahre 1994. Weltweit gab es 1987 145 Milliardäre und 1994 bereits 358.7
Explodierende Management-Gehälter
1992 betrug das Durchschnittseinkommen eines CEOs („chief executive officer“ – Top-Manager) der 1.000 größten Unternehmen laut Business Week 3,8 Millionen Dollar - das waren 40% mehr als im Vor­jahr. Im Durchschnitt hatte ein CEO im Jahre 1960 40­mal so viel verdient wie ein Durchschnittsarbeiter - 1992 waren es bereits 157mal so viel4.
1996 gewährten sich die Top-Manager in Großbritannien Lohnerhöhungen von 19%, das ist das Fünffache der Inflationsrate – und der durchschnittlichen Lohnerhöhungen. Die zehn bestbezahlten britischen Bosse der großen MNKs kassierten sämtlich mehr als eine Million britische Pfund (rund 1,5 Millionen Euro). Damit genossen sie ein wöchentliches Einkommen von 19.230 Pfund, so viel, wie ein Arbeiter im ganzen Jahr verdient.
Multinationale Konzerne („MNKs“)
Zentralisation und Akkumulation
Die 300 größten MNKs – ohne die Finanzinstitute – besitzen 25% des globalen Pro­duktionsvermögens8. Das Gesamtvermögen (Aktiva) der 50 größten Banken und Finanzmischkonzerne der Welt beläuft sich9auf 60% des mit 20 Billionen Dollar veranschlagten weltweiten Be­stands an Produktivkapital10. 1% aller MNKs besitzen die Hälfte aller Anteile an ausländischen Direktin­vestitionen (DI)11. Zusammengenommen produzieren diese MNKs 30% der Weltproduktion, bestreiten 70% des Welthandels und 80% der internationalen Investitionen12.
Die Rendite für ausländische Direktinvestitionen der USA in Drittweltländer betrug 1993 16,8% – das ist doppelt so viel wie die Rendite für DI in imperiali­stische Länder.
Es gibt rund 40.000 MNKs mit etwa 250.000 Tochterfirmen im Ausland. Ihre Umsätze betrugen 1991 4,8 Billionen Dollar - so viel wie nie zuvor und doppelt so viel wie in den frühen achtziger Jahren. Die 100 größten Industrie- ­und Dienstleistungskonzerne (ohne Banken und Finanzkon­zer­ne) besaßen 1990 ein Vermögen von 3,1 Billionen Dollar und 1995 von 3,7 Billionen Dollar, davon 1,3 Billionen Dollar außerhalb ihres Ursprungslandes.
1997 beliefen sich die Umsätze der 200 größten Konzerne der Welt auf weit mehr als ein Viertel der globalen Wirtschaftsakti­vi­tä­ten. Ihre Umsätze waren zu­sammen­genommen größer als die Wirtschaftskraft al­ler Staaten bis auf die neun größten. Mit an­deren Worten überstiegen sie die Wirtschaftskraft von 182 Län­dern – bei aktuell 191 Ländern. Wenn wir die neun ökonomisch größten Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Brasilien, Kana­da und China) weglassen, so beträgt das Bruttoinlandsprodukt der verbleibenden 182 Länder insgesamt 6,9 Billionen Dollar. Der Gesamtumsatz der 200 größ­ten Konzerne beträgt 7,1 Billionen Dollar13.
Der Anteil der weltweiten Wirtschaftsaktivität der 200 größten Konzerne ist seit 1982 stetig und rapide gewachsen. Die Umsätze der 200 größten Konzer­ne betrugen 1982 24,2% des weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts, waren 1992 auf 26,8% und 1995 auf 28,3% des globalen BIP angestiegen.
Die Umsätze der zehn weltweit größten Konzerne waren 1991 zusammenge­nommen größer als die Summe des BSP der 100 kleinsten Staaten. Der Umsatz von General Motors von 1992 (133 Milliarden Dollar) entsprach der Sum­me des Bruttosozialprodukts der Staaten Tansania, Äthiopien, Nepal, Banglade­sh, Uganda, Nigeria, Kenia und Pakistan - Länder, in denen insgesamt mehr als 500 Millionen Menschen leben, das ist rund ein Zehntel der Weltbevölkerung14.
Von den 100 größten Ökonomien der Welt sind nur 49 Staaten - 51 sind Kon­zerne! Der Einzelhandelsgigant Wal-Mart (USA) - der zwölftgrößte Konzern der Welt - ist größer als 161 Länder einschließlich Israel, Griechenland und Polen. Mitsubishi, der weltgrößte Konzern, ist größer als Indonesien, das bevöl­kerungsmäßig viertgrößte Land der Erde. Toyota ist größer als Norwegen; Ford ist größer als Südafrika und Philip Morris größer als Neuseeland.
Die 200 größten Konzerne besitzen eine Wirtschaftskraft, die ungefähr dop­pelt so groß ist wie die ärmsten vier Fünftel der Weltbevölkerung. Die ärmsten 4,5 Milliarden Menschen tragen nur 3,9 Billionen Dollar zu weltweiten ökonomischen Aktivitäten bei, was nicht viel mehr als die Hälfte des Ge­samt­­umsatzes der 200 größten Konzerne in Höhe von 7,1 Billionen Dollar aus­macht. Das bedeutet, daß das Welteinkommen und der Wohlstand unproportio­nal bei den Reichen konzentriert sind. Gemäß einer Statistik des Entwicklungs­programms der Vereinten Nationen (UNDP) werden 85% des weltweiten BSP von den reichsten 20% der Menschheit kontrolliert und nur 15% von den 80% Armen der Welt15.
Monopolisierung
Eine Industrie nach der anderen, ein Sektor nach dem anderen, werden wei­terhin reorganisiert, restrukturiert und unter monopolistische Kontrolle gebracht.
Eine kleine Handvoll von 15 Multis kontrolliert den Markt von 20 Schlüssel­pro­duk­ten. Sie kontrollieren 90% des weltweiten Weizenhandels, 70% des Reis­handels, 80% des Tee- und Kaffeehandels, 90% des Holz-, Baumwoll- und Ta­bak­handels, 80% des Kupferhandels, 60% des Ölhandels, 90% des Eisenhan­dels und 90% des Ananashandels.
Wenn fünf Konzerne über die Hälfte des Weltmarktes in einer bestimmten Bran­che beherrschen, sprechen die Ökonomen von einem in hohem Maße monopoli­sierten Markt16.
Mitte Dezember 1996 einigten sich Boeing und McDonnell Douglas, der erst­- und der drittgrößte Flugzeugherstel­ler der USA, auf eine 13,3-Milliarden-Dol­lar-Transaktion, um den größten Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt zu er­richten. Der neugeschaffene Konzern beschäftigt 200.000 Menschen und setzt im Jahr 50 Milliarden Dollar um. Er beherrscht 60% des weltweiten Flug­zeugmarktes und hat zusammengenommen einen Auftragsbestand von 100 Mil­liarden Dollar. Nur drei Monate vorher, im August 1996, hatte Boeing den Rüstungskonzern Rockwell In­ternational aufgekauft. Durch den da­rauf­folgen­den Kauf von McDonnell Doug­las, dem weltgrößten Hersteller von Kampfflug­zeugen, hat der weltgrößte Her­steller von zivilen Flugzeugen, Boeing, es ge­schafft, sowohl im zivilen als auch im militärischen Flugzeugbau Welt­markt­­führer zu werden. Der Kauf von McDonnell ermöglicht es Boeing, mit Lock­heed Martin bei der Beherrschung des US-Rüstungssektors in Konkurrenz zu treten. Lockheed Martin hat sich seinerseits auf diese Herausforderung vorbe­reitet, indem er Martin Marietta aufgekauft hat.
Hierdurch gibt es in den USA nunmehr zwei riesige Militärflugzeugherstel­ler, die nicht nur die großangelegten Beschaffungsprogramme des Pentagon beherrschen werden, sondern auch im globalen Markt der zivilen und militäri­schen Flugzeuge die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie nachhaltig her­ausfordern werden.
Weltweit werden 778 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben17.
Armut
Österreich
13% der Bevölkerung sind arm, jeder 10. Haushalt derart verschuldet, daß die Zinsen auf Kredite nicht mehr zurückbezahlt werden können. Mehr als 300.000 Menschen sind in diesem Winter arbeitslos, und während die Arbeitslosigkeit seit Jahren steigt, werden die Zumutbarkeitsbeschränkungen weiter gelockert, die Familienzuschläge für Ka­renzgeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gekürzt.
Tausende Menschen ohne österreichischen Paß werden zwangsweise arbeitslos gehalten, sie haben keine Arbeitserlaubnis. Dadurch werden sie zu Schwarzarbeit gezwungen, womit sie permanent von Abschiebung bedroht und deshalb für Unternehmer noch erpreßbarer sind.
Frauen verdienen im Durchschnitt nur 65%, Arbeiterinnen nur die Hälfte des Lohns ihrer männlichen Kollegen. Der Prozentsatz von armen Frauen liegt bei 14% gegenüber 9% bei den Männern.
Die durchschnittliche Pensionshöhe beträgt 937,– Euro, die Pension bei Männern 1170,– Euro, bei Frauen Euro 705,–, Witwen erhalten unter Umständen überhaupt keine Pension mehr. Während die Pensionsanhebungen kaum die Inflation abdecken, wird das Pensionsantrittsalter erhöht und immer mehr ältere Arbeitende werden in die Arbeitslosigkeit geschickt.
Behinderte Menschen erhalten in „geschützten“ Werkstätten ein Taschengeld für Lohnarbeit, wovon die Auftraggeber – private Unternehmen ebenso wie der Staat – profitieren.
Aktion „Fairness“ nannte die blau-schwarze Regierung die Änderungen im Ar­beits­recht. Die Rechtsangleichung von Ar­bei­terInnen mit Angestellten wurde auf die Ver­längerung der Lohnfortzahlungsfristen beschränkt, während andere rechtliche Schlechterstellungen der ArbeiterInnen bestehen blieben. Dafür wurden 220 Millionen Euro von den Arbeit­neh­mer­In­nen zu den Unternehmen verschoben – das nennen die Herrschenden „fair“!
Unfallrentenbesteuerung, zunehmende Pre­karisierung der Arbeitsverhältnisse, steigende Jugendarbeitslosigkeit ...
USA
38 Millionen US-AmerikanerInnen lebten 1994 unterhalb der Armutsgrenze, darunter 15 Millionen Kinder – ein neuer Höchststand seit den 60er Jahren. 40% dieser Armen steht weniger als die Hälfte des Betrages der offiziellen Armutsgrenze für ihr Überleben zur Verfügung. 31% der Afro-Amerikaner und Ibero-Amerikaner sind arm, bei den Weißen nur 9%.18
1989 betrug das jährliche Durchschnittseinkommen der reichsten 20% der US-amerikanischen Haushalte 109.420 Dollar. Von den reichsten 20% ver­diente die „untere“ Hälfte 65.900 Dollar pro Jahr, wohingegen die super­rei­­chen 1% 559.795 Dollar pro Jahr verdienten - zusammengenommen verdienten diese mehr als die ärmsten 40% der Gesamtbevölkerung der USA19.
Zwischen 1977 und 1989 stiegen die Durchschnittseinkommen der superrei­chen 1% der US-Familien um 78% - die Einkommen der ärmsten 20% verrin­gerten sich dagegen um 10,4%20.
Und all dies fand ungeachtet der Tatsache statt, daß die US-amerikanischen Arbeiter 1989 länger arbeiteten als 1977 und bei mehr Familien beide Ehepart­ner vollzeitbeschäftigt waren. Das zeigt eine massive Verschiebung des Wohl­stands von den Armen zu den Reichen.
Die Reallöhne der am niedrigsten bezahlten 10% der männlichen US-Amerikaner sind seit 1980 um fast 20% gefallen; die obersten 10% verdie­nen real um rund 10% mehr. Und während der vergangenen 20 Jahre ist die Bezahlung für die Vorstandschefs vom 35fachen des Durchschnittslohns eines Industriearbeiters auf das 120fache angestiegen. Die Lohnungerechtigkeit hat sich in den USA unbestreitbar verschärft.21
Uganda, Sambia
In Uganda stirbt jedes fünfte Kind vor seinem fünften Geburtstag an ver­meidbaren Krankheiten. Die Regierung gibt jährlich 2,60 Dollar pro Kopf für Gesundheit aus. Sie muß 30 Dollar pro Kopf für Schuldenrückzahlung ausgeben, zumeist an multi­laterale Kreditinstitute wie die Weltbank und den Internationalen Währungs­fonds. Zwischen 1990 und 1993 zahlte Sambia seinen Gläubigern 1,3 Milliar­den Dollar und allein dem IWF 370 Millionen Dollar. Für Grundschu­len blieben dabei nur 37 Millionen Dollar.
Global
In 21 Ländern, v.a. in Osteuropa und den GUS-Staaten, fielen die Durchschnittseinkommen zwischen 1990 und 1993 um mindestens 20%. In 70 Ländern sind die Durchschnittseinkommen geringer als 1980, und in 43 Ländern geringer als 1970.
Seit den 80er Jahren ist der Lebensstandard von 1,6 Milliarden Menschen in 100 Ländern gesunken. Gleichzeitig sind die reichsten 20% der Weltbevölkerung 61mal wohlhabender als die ärmsten 20%. 1966 lag dieser Faktor noch bei 30. Der Anteil der ärmsten 20% der Weltbevölkerung am Welteinkommen ist zwischen 1966 und 1996 von 2,3% auf 1,3% gefallen.
In den 32 am höchsten verschuldeten Ländern der Dritten Welt geht die Rückzah­lung der Schulden auf Kosten von Gesundheit, Bildung und Zukunftsaussichten der Bevölkerung. Diese Länder sind in einem irrsinnigen Finanzkarussell ge­fangen, in dem Hilfsgelder direkt den Banken zufließen, um Strafzinsen für Kredite zu zahlen, von denen jeder weiß, daß sie nie zurückgezahlt werden kön­nen.
650 Millionen AsiatInnen leben in völliger Armut. 1,7 Milliarden Menschen auf der Welt haben kein sauberes Trinkwasser, und 100 Millionen Menschen sind gänzlich obdachlos. 800 Millionen Menschen müssen jeden Tag hungern. 150 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind unter­ernährt. 14 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an vermeidbaren Krankheiten und Unterernährung, bevor sie ihr fünftes Lebensjahr vollenden - alle zwei Se­kunden stirbt ein Kind deswegen. Nach aktuellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben in je­dem Jahr über acht Millionen Babys, bevor sie ein Jahr alt werden - 98% davon in den unterdrückten Ländern, wobei die höchsten Sterblichkeitsraten in Afrika und im südlichen Mittelasien herrschen. 900 Millionen Erwachsene sind An­alphabeten. Das Durchschnittseinkommen in den armen Ländern beträgt nur 6% des Durchschnittseinkommens in den imperialistischen Ländern.
Sinkende Löhne
Drittweltländer mit niedrigen Lohnkosten
1995 betrugen die durchschnittlichen Arbeitskosten pro Stunde in der Industrie in Deutschland 31,88 Dollar, in Japan 23,66 Dollar, in den USA 17,20 Dollar und in Großbritannien 13,77 Dollar, wohingegen sie in Mexiko nur 1,50 Dollar und in China und Indien nur 25 Cents pro Stunde betrugen.
Mit Blick auf diese Zahlen, die von der US-amerikanischen Investmentbank Mor­gan Stanley ermittelt wurden, fragt der „Economist“ am 2. November 1996: „Wen würden Sie lieber beschäftigen: einen deutschen Arbeiter, zwei Amerika­ner, fünf Tai­wa­nesen oder 128 Chinesen?“
„Die neue Globalisierung der MNKs ist mehr als die Verlegung von Fabriken von der Ersten in die Dritte Welt; es geht um den Import wirtschaftlichen Drucks und sozialer Bedingungen aus der Dritten Welt in die Erste Welt.“22
Großbritannien
„Wir haben jetzt hier in Großbritannien Löhne, die mit denen in der Dritten Welt vergleichbar sind. Facharbeit ist in der Dritten Welt relativ knapp, hierzu­lande jedoch im Überfluß vorhanden und ohne Beschäftigung. Unternehmen können ihre Arbeit viel preisgünstiger in Großbritannien erledigt bekommen.“23
Nach Angaben der Gesundheits- und Ar­beits­sicherheitsbehörde gibt es min­destens 200 illegale Fabriken allein im Osten Londons. Auch viele der Kauf­häuser in den Haupt­geschäftsstraßen zählen zu den Kunden dieser Betriebe. Die Dumpinglohnini­tia­tive „Low Pay Unit“ hat herausgefunden, daß zehnjährige Kin­der in Fabriken und Werkstätten arbeiten, obwohl das Mindestalter für Arbeiter 13 Jahre beträgt.
Das ist der „flexible“ und deregulierte Arbeitsmarkt, nach dem sich die Mo­no­pol­ka­pitalisten sehnen wie der Verdurstende nach der Oase. Daher kommt es, daß Großbritannien jetzt 40% der japanischen Investitionen in Europa, 40% der US-amerikanischen und 50% der koreanischen auf sich vereinigt. Es ist also nicht überraschend, daß der Gesamtwert ausländischer Investitionen in Groß­britannien stark angestiegen ist, nämlich von 28 Milliarden Dollar (1978) auf 200 Milliarden Dollar (1996). Schon 1991 wurden 38% der japanischen Investitionen in Europa in Großbritannien getätigt, als Nissan, Toyota und Hon­da massiv in die britische Autoindustrie investierten. Gegen Ende des Jahrhun­derts kann man sagen, daß die britische Autoproduktion zu gleichen Teilen zwi­schen japanischen, US-amerikanischen und europäischen Autoherstellern auf­geteilt ist.
USA
Die Men­schen in den USA „arbeiten jetzt im Jahr durchschnittlich 164 Stunden mehr als vor 20 Jahren, das heißt einen Monat mehr pro Jahr.“24
Vollzeitbeschäftigte Arbeiter werden mehr und mehr durch Teilzeit- und befri­stet be­schäftigte Arbeiter ersetzt, männliche durch weibliche. In seinem Drang, die Profite zu maximieren, greift der Kapitalismus immer mehr zu der Methode, eine (möglichst kleine) Kerngruppe von Vollzeitbe­schäf­tigten und eine weitere Gruppe von Teilzeit- und Zeitvertragsarbeitern zu beschäftigen - das ist die Per­spektive, die das Monopolkapital der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt anbietet.
Wenn die US-amerikanischen Ar­bei­terInnen auch länger arbeiten als je zuvor, hat ihre Entlohnung dafür eine fallende Tendenz. In realen Werten fielen die Stun­denlöhne der Produktionsarbeiter (ohne Vor­ar­beiter) von 11,37 Dollar (1973) auf 10,34 Dollar (1991), wohingegen die durchschnittliche Arbeits­zeit jährlich anstieg. Während die Arbeitszeit um 6% zunahm, fielen die Löh­ne um 9%.
1992 lagen die Löhne von fast der Hälfte der vollzeitbeschäftigten 18-24jährigen in den USA unterhalb der Armutsgrenze. In Anbetracht dieser Zahlen ist es nicht besonders verwunderlich, daß der Profitanteil am Bruttoin­landsprodukt der USA von 4,7% (1982) auf 8,4% (1995) gestiegen ist, wohin­gegen der Lohnanteil im selben Zeitraum um fünf Prozentpunkte zurückge­gangen ist.
ArbeiterInnen, unvermeidlich die ersten Opfer von Militarisierung
Steigende Gefangenenzahlen in den USA (vor allem Afro-AmerikanerInnen und Ibe­ro-AmerikanerInnen sind betroffen), Ende der Sozialhilfe bereits während der Clinton-Regierung. Drakonische Änderungen bei der Einwanderungspolitik: Dieser Trend wurde unter der Bush-Regierung fortgesetzt, indem sie unter dem Etikett „Krieg gegen den Terrorismus“ die vertraglich abgesicherten Rechte der ArbeiterInnen angriff. Die Massenverhaftungen nach dem 11. September ohne Anklage, die Verweigerung rechtlichen Beistands oder einer Haftprü­fung für „terroristische Gefangene“ und vieles mehr zeigen die Richtung, die die Bush-Regierung einschlägt: die extreme Einschränkung vertraglicher Freiheiten.
Hafenarbeiterstreik an der Westküste der USA
So wurde z.B. der große Hafenarbeiterstreik an der Westküste der USA aus Gründen des „nationalen Interesses“ (= Krieg gegen Afghanistan) per Präsidentenerlaß für 80 Tage ausgesetzt. Er war nach einer großangelegten Aussperrung, welche sich gegen die Macht der Gewerkschaften richtete, ausgebrochen. Die Dimension des Streiks wird an folgenden Zahlen deutlich: Über 200 Schiffe warteten vor der Westküste auf Abfertigung, der direkte Schaden wurde auf bis zu 2 Milliarden Dollar täglich geschätzt. Außerdem hätte vor dem Hintergrund allgemeiner sozialer Angriffe hier eine soziale Dynamik entstehen können, die den Kriegsplänen der USA gefährlich geworden wäre.
Das entsprechende Gesetz wurde am 23. Juni 1947 mit einer deutlichen Mehrheit im Senat beschlossen (die beiden Initiatoren, Taft und Hartley, gehörten der Republikanischen Partei an). Es ermächtigt die Regierung zu einer Reihe von Zwangsmaßnahmen, wenn durch einen Arbeitskampf die „nationalen Interessen der USA“ gefährdet sind. Die entscheidenden Punkte des Gesetzes sehen so aus:
– „Closed Shops“ sind verboten, d.h., Gewerkschaften dürfen nicht erzwingen, daß Betriebe ausschließlich gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen beschäftigen müssen;
– wenn Gewerkschaften bestehende Tarifverträge brechen (was theoretisch bei strenger Interpretation bei jedem Streik der Fall ist), kann gerichtlich gegen sie vorgegangen werden;
– die Gewerkschaften müssen ihre Finanzen inklusive der Streikkasse offen legen – wodurch sich die Kapitalist/inn/en leicht ausrechnen können, wie lange die Gewerkschaften einen Streikkampf durchhalten können;
– das Staatliche Labour-Board hat das Recht, bei Arbeitskämpfen eine 80tägige „Abkühlphase“ zu verordnen, während der nicht gestreikt werden darf.
Im September 1950 setzten dann die Senatoren McCarran und Wood noch eins drauf: Ihr „Internal Security Act (ISA)“ sah vor, daß sich Mitglieder „kommunistischer Organisationen“ registrieren lassen mußten, aus Jobs im öffentlichen Dienst entlassen und gegebenenfalls, so sie weiter am „Sturz der Regierung“ arbeiteten, sogar deportiert werden sollten. Selbst Präsident Harry S. Truman, sicherlich kein Kom­munis­tenfreund, warnte davor, daß erstmals in der Geschichte der USA die bloße abweichende Meinung bestraft werden solle – aber umsonst: Mit 248 zu 48 Stimmen votierte das Repräsentantenhaus, mit 57 zu 10 der Senat für den ISA. Die Hexenjagd des rabiaten Senators Mc Carthy hatte nunmehr einen pseudolegalen Boden, und die amerikanische Linke sah sich Verfolgungen ausgesetzt, wie es sie seit der Phase unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg und der Oktoberrevolution nicht mehr gegeben hatte.
Die „Staatsschutzgesetze“, die nach dem 11. September 2001 beschlossen wurden, stehen also in einer langen Tradition.
Widerstand
Die enorme soziale Ungleichheit führt zu Widerstand in verschiedensten Formen. Eine ganze Kette von reformistischen Versuchen, diese soziale Ungleichheit zu beseitigen, gab es in den letzten Jahren in Lateinamerika (Chavez in Venezuela, „Lula“ in Brasilien), die Anti-Glo­ba­li­sie­rungs­bewegung in den imperialistischen Ländern („tutte bianche“, Bezugnahme auf die Tobin-Steuer, etc.) steht ebenfalls für reformistische Versuche.
Länder, deren Regierungen versuchen, der Bevölkerung erträglichen sozialen Standard zu erhalten, sind vermehrten Angriffen seitens der Imperialisten ausgesetzt (Cu­ba, Nordkorea, ...), die von ökonomischen Boy­kottmaßnahmen bis zu militärischen Drohungen und Angriffen reichen.
Gegen revolutionäre Bewegungen, deren Ziel der Sturz des kapitalistischen Systems ist (Kommunistische Partei Nepal (Maoisten), Kommunistische Partei der Philippinen, FARC in Kolumbien, etc.), werden Kriege niedriger Intensität, d.h. keine offene Invasion, sondern Einsätze von „Coun­te­r­guerilla“-Einheiten, sogenannten „Beratern“ etc., geführt.
Durch den offenen Krieg der Imperialisten gegen Staaten wie den Irak werden (siehe oben: Hafenarbeiterstreik) die legalen Möglichkeiten des Kampfes um die Verbesserung der sozialen Lage eingeschränkt bzw. illegalisiert.
Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus
die kapitalistische Konkurrenz erzwingt Rationalisierungen
der Zwang zur Rationalisierung schafft Massenarbeitslosigkeit und damit Massenelend
die fehlende Massenkaufkraft führt zur Überproduktionskrise und drängt das Kapital dazu, seine Märkte auszudehnen
mit seinem Versuch, die Märkte auf Kosten der Konkurrenz auszudehnen, stößt das Kapital auf den Widerstand seiner Konkurrenten
mit Kriegen wird die Absicherung und Ausdehnung der eigenen Märkte vorangetrieben
mit Kriegen wird der Überproduktionskrise durch massenhafte Vernichtung von Werten begegnet – die Arbeitskraft und damit die ArbeiterInnen werden in diesem System ebenfalls als „Werte“ betrachtet
Krisen und Kriege überleben nur die stärksten Unternehmen, sie gehen „gestärkt“ daraus hervor
die Stärkung und Konzentration führt zu weiterer Rationalisierung
Der Kapitalismus kann nicht reformiert werden,
er muß gestürzt werden
Anmerkungen
1 Die meisten Daten stammen von Harpal Brar, „Imperialismus im 21. Jahrhundert“, 1997; deutsch bei: Pahl-Rugenstein, Bonn, 2001
2 alle Dollar-Angaben beziehen sich auf US-Dollar
3 Financial Times, 1.2.2002
4 „Executive pay: the Party ain’t over yet“ [Die Einkommen der Vorstände - die Party ist noch nicht vorbei], Business Week, 16. 4.1993
5 David Korten, „When Corporations Rule The World“, USA 1995, S. 108
6 Mishel & Bernstein, „The State of Working America“, S. 256
7 Forbes, 18. Juli 1994
8 „A Survey of Multinationals: Everybody’s Favou­rite Monsters [Eine Studie über die Multis: Unsere geliebten Monster]“, The Economist, 27.3.1993, Special Supplement
9 Schätzung des „Econo­mist“
10 „Hoover’s Handbook of World Business“, 1993
11 „UN World Investment Report, 1993“
12 Paul Hawken, „The Power of Trans­na­tio­nals [Die Macht der Multis]“, The Ecolo­gist, Juli/August 1992
13 „The Top 200 - the Rise of Global Corporate Power [Die größten 200 Unternehmen - Aufbau weltweiter Wirtschaftsmacht]“, von Sarah Anderson und John Cavanagh, Institute for Policy Studies, Washington, 25 September 1996
14 ebd.
15 Top 200
16 Der „Economist“ berichtet in seiner oben genannten Sonderaus­gabe (Special Supplement) über Konzentrationsraten der jeweils fünf größten Firmen in zwölf Branchen weltweit, wobei sich die höchste Konzentration im Bereich haltbarer Konsumgüter findet
17 „Human Development Report [Weltent­wick­lungsbericht]“, Oxford University Press, 1996
18 Bericht der US-Bevölkerungsbehörde
19 Korten, S. 108
20 Lawrence Mishel und Jard Bernstein, „The State of Working America 1992-93 [Die Lage der Arbeiter in den USA 1992/1993]“, Washington D.C., M. E. Sharpe, 1993, S. 256
21 Economist, 28. September 1996
22 Walter Russell Mead in: „Bushism Found [Die Doktrin von George Bush lebt fort]“, Harpers Magazine, September 1992
23 Chris Pond, Sprecher der Anti-Billiglohn-Initiative Low Pay Unit in London
24 Juliet Schor, „The over­worked American: the unexpected decline of leisure [Der überarbeitete US­Amerikaner - Die unerwartete Verringerung der Freizeit]“