Bündnis „Opernball angreifen!“
Opernballdemo 2003 – Einschätzung des Bündnisses „Opernball angreifen!“
Vorbereitung
Für uns gab es genug Gründe, dafür zu sorgen, dass es auch 2003 wieder eine Anti-Opernball-Demonstration geben wird. Und zwar unabhängig davon, ob es zuvor zu einer neuerlichen schwarz-blauen Regierung kommen wird. Die erste derartige war maßgeblich dafür verantwortlich, dass seit 2000 wieder mit mehr Leuten gegen dieses Fest der Reichen, diese Provokation des Proletariats protestiert wird.
Die Vorbereitungen für die Anti-Opernball-Demonstration begannen ca. 3 Monate vor der Demo. Bei unseren ersten Treffen fassten wir unsere Beweggründe so zusammen:
der drohende Krieg gegen den Irak (der in einer Reihe steht mit dem Krieg gegen Afghanistan, Jugoslawien etc.)
die Militäroperationen gegen Befreiungsbewegungen weltweit (von Kolumbien über Nepal bis zu den Philippinen)
der kapitalistische „Normalzustand“ weltweit, also auch die soziale Lage hier, oder wie es in der einleitenden Rede zu Demobeginn hieß:
Die Gründe, warum wir uns heute hier versammeln, sind vielfältig
Wir sind heute hier, um einerseits gegen den bevorstehenden Großangriff auf den Irak zu demonstrieren. Ein Krieg, der für mehr Macht, mehr Einfluss, mehr Profit geführt wird. Der Opernball ist für uns ein Symbol dessen, wogegen sich unser Widerstand richtet. Denn dort treffen sich die Repräsentanten jenes gesellschaftlichen Systems, dass für die ganze Serie von Kriegen und Raubzügen, die seit Jahren stattfinden, verantwortlich ist.
Die Nutznießer des heutigen Kapitalismus und ihre Speichellecker, die jetzt so heuchlerisch vom Frieden reden, weil sie mit der Beute andere Absichten haben, als die offenen Kriegstreiber, treffen sich heute in der Wiener Staatsoper, um die Tanzbeinchen zu schwingen. Nun, wir sind hier, um diesen Herrschaften endlich einmal ordentlich Beine zu machen.
Ein weiterer Grund für unsere heutige Präsenz, ist die sich verschlechternde soziale Lage breiter Teile der werktätigen Bevölkerung. Während offensichtlich genug Geld bei den Reichen vorhanden ist, so dass sie sich auf der teuersten Ballnacht der Welt mit den feinsten Speisen und Getränken vollstopfen können, und immer noch genug für allen möglichen anderen unnötigen Blödsinn haben, werden auf der anderen Seite beispielsweise Arbeitslose in wochenlangen, sinnlosen Kursen, bei denen sie angeblich lernen sollen, wie man sich vorstellt, schikaniert. Wer sich dagegen wehrt, dem wird ruckzuck die Versicherungsleistung gestrichen. Beim Streichen sind die „hohen Herren“ nämlich sehr kreativ. Kein erkämpftes Recht, keine kollektiv geschaffene Reserve, die nicht von den diebischen Fingern der Kapitalisten bedroht wäre! Wir sind heute hier mit einer klaren Botschaft: Hände weg von unseren Rechten! Hände weg von unserem Geld, sonst setzt es was auf die schmierigen Pratzen!
Viele von uns sind heute auch hier, um ihre Abscheu über die Neuauflage von Schwarz-Blau zum Ausdruck zu bringen. Die letzten 3 Jahre unter einer Regierung, deren eine Hälfte aus Burschenschaftern, und deren andere Hälfte aus Steigbügelhaltern der Faschisten bestand, waren grauslich genug. Und genau diese Leute treffen sich heute in der Oper, um auf unsere Kosten ihre Walzerrunden zu drehen und uns via aufgesetztem Lächeln in die Fernsehkamera auszurichten: „Ätsch! Wir machen sowieso was wir wollen!“
Wir sind heute hier, weil wir die Gelegenheit nutzen wollen, jetzt gleich, und nicht erst in ein paar Tagen, Schüssel, Haupt und Co. damit zu konfrontieren, dass sie sich gefälligst schleichen sollen! Wir werden die kommende Regierung genauso wenig akzeptieren, wie die vergangene. Wir werden auch weiterhin dagegen Widerstand leisten. Unter anderem mit dieser Demo!
In diesem Sinn: Für eine starke und kämpferische Demo!
Als zentrale Losung für die Demonstration einigten wir uns auf die Hauptparole „Imperialistische Kriegstreiber stoppen! Kapitalismus zerschlagen!“ Unser antikapitalistisches und antiimperialistisches Selbstverständnis ist im Demoaufruf „Opernball angreifen!“ nachzulesen.
Zur Mobilisierung erstellten wir u.a. die Homepage (www.geocities.com/opernball­de­mo). In einer Broschüre stellten die verschiedenen beteiligten Gruppen und Einzelpersonen ihre – durchaus kontroversiellen – Standpunkte dar. Weiters warben wir mit Flyern, Flugblättern und Plakaten.
Das „Opernball“-Fest in der Arena sollte der Finanzierung der Demo und der Rechtshilfe dienen, hier noch einmal einen großen Dank an die Arena und die fünf Bands, die unsere Mobilisierung unterstützt haben.
Nicht das erste Mal haben diverse Antinationale versucht, eine fortschrittliche Veranstaltung zu stören. Außer der von diesen Kreisen häufig angebotenen, aber immer noch grundfalschen Gleichung „Antiimperialismus = Antisemitismus“ wurde diesmal noch einige Schubladen tiefer gekramt und eine „Querfront“ zwischen uns und Nazis konstruiert. Aber wie schon so oft erschöpften sich diese reaktionären Aktivitäten in medialen Luftblasen, wie einer vorgetäuschten eigenständigen Mobilisierung gegen den Opernball oder das Lancieren von Hetzartikeln in der bürgerlichen Presse.
Diese Leute behaupten zwar manchmal immer noch, „Linke“ zu sein, auf der Straße trifft man sie so gut wie nie – außer als Gegendemonstranten mit ihren „Arbeiterklasse – wie ich dich hasse!“-Tiraden. Oder auf Seiten zionistischer Reaktionäre, wohin sie auch gehören.
Die Demo
Insgesamt sammelten sich um die 1.500 Leute. Angesichts der antikapitalistischen Stoßrichtung der Demo und dem relativ niedrigen Niveau der österreichischen Linken werten wir diese für Österreich hohe Anzahl an TeilnehmerInnen als großen Erfolg.
Am Sammelplatz herrschte gute Stimmung, es wurden Flugblätter und Rechtshilfe-Flyer verteilt. Auffallend war, dass sich besonders viele junge Menschen beteiligten. Die Demo wurde mit zwei Redebeiträgen und fetziger Musik begrüßt. Besondere Aufmerksamkeit erregte auch der mitgebrachte, selbstgebastelte Panzer, der bereits im Vorfeld bei der bürgerlichen Presse und der Polizei für Aufregung gesorgt hatte (Motto: „Wir kommen mit dem Panzer!“).
Nach ca. einer Stunde am Sammelplatz marschierte die Demo kraftvoll und lebendig los. Angeführt wurde sie von einer organisierten ersten Reihe. Es dominierten Parolen gegen den Krieg; auf Transparenten, Schildern und in Sprechchören waren aber auch Positionen gegen Schwarz-Blau und Sozialabbau präsent. Die hohe Anzahl junger, nicht organisierter TeilnehmerInnen hatte zur Folge, dass es de facto keine Blockbildung im herkömmlichen Sinn gab.
Während der Demo verhielt sich die Polizei auffallend zurückhaltend. Nur wenige Bullen begleiteten die Demo sichtbar. Die Demo kam so relativ schnell und problemlos zur Kärnt­ner­straße. Im Nachhinein betrachtet müssen wir feststellen, dass weder der Sammelort noch der Zeitpunkt des Abmarsches besonders günstig waren, da die Demo viel zu früh vor der Oper war.
Bei der Kärntnerstraße wurde die Demo von der Polizei mit einem martialischen Po­li­zei­kor­don empfangen. Vor der eigentlichen Absperrung waren links und rechts Robocop-mäßig ausstaffierte Bullen aufgestellt. Um zur Absperrung vor der Oper zu gelangen, sah sich die Demo gezwungen, direkt in einen offenen Kessel gehen zu müssen. Weiters waren rundherum in der gesamten Umgebung Bullenwannen postiert.
Ein Teil der Demo entschied sich, sich durch dieses Aufgebot nicht einschüchtern zu lassen und ging trotzdem bis an die Absperrung in Sichtweite der Oper. Ein fast ebenso großer Teil ging jedoch nicht weiter. Auch der Lautsprecherbus fuhr nicht bis zur Absperrung, sondern blieb vor dem vermeintlichen Kessel stehen. In dieser Situation wäre es notwendig gewesen mit Redebeiträgen bzw. kurzen Infos über den Lautsprecher eine gewisse Struktur in der Demonstration aufrecht zu erhalten. Wir erkennen es als Fehler an, dass die Redebeiträge die im Vorfeld ausgemacht waren, aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr gehalten wurden.
In der Folge gab es den Versuch die Demo weiterzuführen, was von der Polizei aber verhindert wurde. Die Bullen hatten die Absicht, die Demo vor Ort zu binden und akzeptierten den Anmelder der Demo ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Ansprechperson.
Durch das lange Warten und Zögern wurde ein Teil der Leute unruhig und einige Leute versuchten eigenständig durch den Resselpark weiterzukommen. Ein großes Manko war, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Kommunikation innerhalb der Demo mehr gegeben hat, wodurch eine Koordinierung fast nicht mehr möglich war. Trotzdem wurde noch versucht die erste Reihe, die bis dahin vor der Bullenabsperrung gestanden ist zurückzuholen, um die Demo doch noch organisiert weiterzuführen. Durch das inzwischen eingesetzte Chaos war das aber nicht mehr möglich. Die Bullen kamen aus mehreren Richtungen näher und im Resselpark entwickelten sich kleinere Scharmützel.
Die Demoleitung entschied sich daraufhin, den Bus zurückzuziehen. Vorher wurde aber noch die Rechtshilfenummer über den Lautsprecherwagen durchgegeben. Der Grund für den Rückzug des Busses waren konkrete Erfahrungen bei früheren Opernballdemos, wo sowohl Lenker als auch Bus von den Bullen für mehrere Wochen weggesperrt wurden. Bei einem Kostenpunkt von mehreren Hundert Euros pro Tag war diese Entscheidung auch im nachhinein betrachtet richtig. Wir geben die wenige Kohle die wir haben lieber der Rechtshilfe, als sie den Bullen und dem Busverleih in den Rachen zu stopfen.
Im Trubel hatten wir auch einen konkreten Abschluss der Demo nicht mehr zusammengebracht. Wir sehen das als einen gravierenden Fehler unsererseits. Nach dem Rückzug des Busses lösten wir die bisherige Struktur auf und gingen zu einem Klein- und Bezugsgruppenkonzept über. Wir weisen die Anschuldigungen, dass sich die Demoleitung zurückgezogen hätte deshalb massiv zurück.
Bis zu diesem Zeitpunkt hielten sich die Bullen immer noch stark zurück. Es gab ein sanftes Zurückdrängen der DemoteilnehmerInnen durch eher leichtes Stoßen, aber keine Räumung. Inzwischen hatte die Demo schon eine Eigendynamik entwickelt. Die Bullen formierten immer wieder U-förmige Kessel, um weniger entschlossene DemonstrantInnen abzuschrecken. Die Taktik der Bullen, die Demo ohne Eskalation soweit ausdünnen zu lassen, dass nur mehr ein kleiner Teil der Demons­trant­Innen vor Ort war, der dann ohne größere Schwierigkeiten tatsächlich eingekesselt und verhaftet werden konnte, ging auf.
Die Bullenaktionen richteten sich am Schluss vor allem gegen jüngere Leute. Von den ca. 150 Übriggebliebenen, die weiterdemonstrieren wollten, wurden schließlich 60 Leute verhaftet. Alle wurden in die Rossauer Lände (“Polizeiliches Anhaltezentrum“) gebracht und rund 24 Stunden festgehalten. Eine Person wurde ins Landesgericht überstellt und dort erst am nächsten Tag freigelassen.
Ein Fehler war es sicherlich, dass es zu keiner Demonstration in der Rossauer Lände kam, um die Verhafteten zu unterstützen. Wir halten aber hier fest, dass alle Festgenommenen (ebenso wie diejenigen, die möglicherweise noch polizeilich oder gerichtlich belangt werden) Teil der Demonstration sind und es daher keinen Grund gibt, sich von ihnen zu distanzieren.
Resümee
Die Zahl der Verhafteten ist für uns kein Qualitätsmerkmal der Demo, weder positiv noch negativ. Allerdings müssen wir lange zurückgreifen, um eine derart hohe Anzahl von Verhaftungen in Wien zu finden.
Eine negative Erfahrung war sicherlich, dass es uns nicht gelungen ist, mehr Leute in die konkrete Vorbereitung und Durchführung der Demo einzubinden, was zur Folge hatte, dass uns diese Demo ab einem gewissen Zeitpunkt organisatorisch entglitten ist. Dabei gibt es nichts zu beschönigen.
Bei dieser relativ großen Anzahl an De­mons­trant­Innen wären zusätzliche organisierte und koordinierte Kräfte dringend notwendig gewesen. Wir sehen das Fehlen dieser Kräfte als signifikant für den momentanen Zustand der radikalen Linken in Österreich.
Die Taktik der Bullen haben wir nicht vorhergesehen, sodass wir vor Ort relativ ratlos agierten. Etwas mehr Vorbereitung in dieser Frage und Flexibilität vor Ort unsererseits wäre hier sicher von Vorteil gewesen.
Trotzdem ist es ein ermutigendes Zeichen, dass sich trotz vielbeschworenem Niedergang der antifaschistischen, antikapitalistischen Bewegung so viele Menschen, abseits reformistischer Befriedungspolitik mobilisieren ließen.
Positiv für uns ist, dass die zentralen politischen Losungen der Demo sowohl vorher als auch nachher klar ersichtlich waren und über die Presse breiter wahrgenommen werden konnten. Nach den Erfahrungen der letzten Jahren war das wohl eine der politisch klarsten, linksradikalen Demos seit langer Zeit.
Es hat sich als richtig herausgestellt, dass sich das Vorbereitungsbündnis durch diverse Intrigen und Kampagnen nicht aus dem Konzept bringen lies und unbeirrt die eigene politische Linie aufrecht erhalten hat.
Obwohl die Demo jetzt vorbei ist, heißt das für uns nicht, dass damit alles für uns abgeschlossen ist. Wir sehen die Verhafteten ganz klar als Teil unserer Bewegung. Daraus ergibt sich für uns die Verpflichtung, sie zu unterstützen und unsere politische Arbeit konsequent weiterzuführen.
Mit den diesjährigen Erfahrungen können wir versuchen, unsere eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Eine wichtige Lehre aus der diesjährigen Opernballdemonstration ist, dass wir in der Vorbereitung noch viel genauer arbeiten müssen.
(P.S.: Das Bündnis „Opernball angreifen“ hat gemeinsam mit Interessierten Mitte März eine Nachbesprechung zur Anti-Opernball-Demonstration durchgeführt. Alle, die noch Fragen an die Rechtshilfe haben, sollen sich bei der RH-Handynummer (0676 774 66 57) melden und dort ihre Telefonnummer für einen Rückruf hinterlassen. Die Rechtshilfe wird sicherlich auch für die zu erwartenden Prozesse Geld benötigen, deshalb hier die Kontonummer: 018 100 874 53, Bankleitzahl 14 000, Kennwort „Rechtshilfe, Mag. Dietmar Zach“)