AK Krise, 1070 Stiftgasse 8
Am Beispiel Immobilien
Die Leitzins-Achterbahn
Leitzinsen bezeichnen die Zinsen, die Notenbanken verrechnen, wenn sie an Banken Geld verleihen. Das sagt nur bedingt etwas darüber aus, wie hoch der Zinssatz ist, den eine Bank z.B. für einen Hypothekarkredit verlangt (derzeit sind die Leitzinssätze knapp über Null, während Bankkredite immer teurer oder gar nicht vergeben werden). Aber Leitzinsen sind durchaus ein Barometer für die Entwicklung von Konjunktur und Krise, weil sie eines der wichtigsten Interventionsmittel des Staates darstellen.
Phase 1: Zinssenkung
Die nebenstehenden Grafiken zeigen die Schwankugnen der Leitzinsen von 2000 bis 2008 in unterschiedlichen Ländern. Die Entwicklung verläuft in allen gezeigten Ländern parallel, wobei die größten Schwankungsbreiten bei den USA liegen und Japan jahrelang einen Leitzinssatz von 0% hatte. Nach relativ hohen Zinssätzen bis 2001 stürzt der Leitzins jäh ab, und zwar – auf die USA bezogen – zuerst in Folge des Platzens der „dotcom“-Blase zu Beginn 2001, und dann noch einmal nach dem 11.9.011. Hier beginnt die Phase der gesteigerten Nachfrage nach Hypothekenkrediten für den Hausbau:
Die niedrigen Zinsen erleichtern die Aufnahme von Krediten, was insbesondere bei Immobilienkäufen (bzw. Hauskäufen) ausgenutzt wird. Durch die erhöhte Nachfrage nach Immobilien steigen die Immobilienpreise, d.h. es kann auf das auf Kredit gebaute/gekaufte Haus ein zusätzlicher Kredit aufgenommen werden.
Nun gehen die Kreditgeber dazu über, die Sicherheiten für Hypothekarkredite sukzessive herunter zu fahren, um mehr Geschäfte (Kredite) zu machen – die Nachfrage ist ja vorhanden2:
*) subprime-Kredite: sind Kredite, die nicht gut besichert sind (also unter 100% Besicherung).
*) low doc/no doc-Kredite: sind Kredite, die praktisch freihändig – also ohne entsprechende Sicherheiten – vergeben werden. Dabei geht die Bank davon aus, dass selbst einige zahlungsunfähige Kunden dieses Risiko rechtfertigen, weil mit der Pfändung der Immobilien der Kredit praktisch wieder hereingebracht werden kann.3
Der Umfang dieser Kredite in den USA bis Februar 2007: subprime ca. 1.300 Mrd. Dollar, low doc ca. 1.000 Mrd. Dollar.
Phase 2: Leitzinserhöhung
Der durch die Zinssenkung verursachte Bauboom führt zu überhöhten Immobilienbewertungen und zu einem Ansteigen des Leitzinses ab 2004/05. Im Juni 2006 liegt die Zinsrate auf dem Höchststand von 5,25%, wodurch sich die eben beschriebenen Effekte umkehren:
a) die Rückzahlungsraten steigen und können somit schwerer bedient werden.
b) gleichzeitig fällt die Bewertung der Immobilien wieder und dadurch gelten Teile der Kredite als unbesichert. Besteht der Kreditgeber auf einer zusätzlichen Sicherheit, so führt das zur Pfändung der Immobilie. Aber die ist im Wert ebenfalls gefallen, wodurch der Kredit praktisch (zumindest teilweise) uneinbringlich wird.
Phase 3: Krise
Hier beginnt die sogenannte „subprime“-Krise. Sie löst wiederum einen Fall der Zinsrate aus, beginnend in den USA, und mit Verzögerungen in allen oben dargestellten Ländern (in der Eurozone wurde inzwischen zumindest eine weitere Zinssenkung auf 2,75% vorgenommen).4
Der Zyklus zwischen dem 1. und dem 2. Fall der Leitzinsen dauerte etwa 7 Jahre.
Umfang des Immobilienmarktes
Das globale Bauvolumen lag Anfang 2007 bei 4,5 Billionen Euro.
Das gesamte Bauvolumen in der Euro-Zone lag 2007 bei ca. 1,5 Billionen Euro, davon entfiel fast die Hälfte der Bauaktivitäten auf den Wohnungsbau. Das Bauvolumen in Deutschland betrug ca. 260 Mrd. Euro, der Spitzenwert in Europa; das in Spanien lag mit knapp 220 Mrd. Euro nicht weit darunter. D.h. Spaniens Konjunktur hing in einem sehr großen Ausmaß von der Bauindustrie ab.
73% des europäischen Bauvolumens decken Spanien, Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich ab. Die vielgerühmte Bautätigkeit in den osteuropäischen Ländern beträgt gerade mal 4% des gesamteuropäischen Bauvolumens. In Spanien setzte ab 1993 ein Nachfrageboom ein, in Irland ebenfalls mit teilweise zweistelligen Zuwachsraten.
An Wohnungen wurden 1992 in Europa 1,92 Mill. fertiggestellt, 2005 waren es 2,36 Millionen, wovon der Hauptanteil auf Deutschland und Spanien entfiel. Aber der richtige Boom lief in Spanien, von 1994 (210.000 neue Wohnungen) stieg die Zahl an errichteten Wohnungen auf 670.000 im Jahr 2005. Der Bauboom in Spanien, aber auch Irland, Portugal und Italien erklärt sich teilweise durch den Beitritt zur Eurozone. Dadurch fiel der Zinssatz auf langfristige Kredite in Spanien von 12% auf etwa die Hälfte.
Eckdaten der deutschen Bauindustrie
Deutschland: über 2 Millionen, Anteil am BIP über 10%, 2004: 234 Mrd. Euro, Hauptgeschäft ist der Wohnungsbau (über 50%). Seit 2005 sind die Zahlen sowohl bei Büros und Anlagen als auch beim privaten Wohnungsbau rückläufig. Größter Baukonzern in Deutschland ist die Hochtief, dahinter folgt bereits die österreichische Strabag.
Spanien
Bis zu 90% der SpanierInnen wohnen in Eigentumswohnungen/-häusern. Hypothekarkredite werden bis zu 100% des Immobilienwertes vergeben, und so finanzierten sich viele Leute ihren Wohnraum: Kreditaufnahme bei gleichzeitiger Besicherung des Kredits über die Hypothek auf das neu erworbene Haus.
Gleichzeitig wurden aber viel zu viele Wohnungen gebaut, das spanische Finanzministerium schätzte 2006 den Überschuss an Wohnungen auf 40%, d.h. diese Wohnungen waren am Markt nicht absetzbar.
Ein Jahrzehnt hatten die niedrigen Zinsen den Immobilienerwerb und -bau befeuert und damit die gesamte spanische Konjunktur bestimmt. Die Überbewertung der Immobilien führte zu immer höheren Kreditvolumina, die tatsächlich nicht mehr gedeckt waren.
Der Bauboom führte dazu, dass z.B. am Stadtrand von Madrid im Viertel Sesena die größte spanische Baufirma, Martinsa-Fadesa ein Viertel mit 13.500 Wohnungen errichten ließ – 1/3 davon existiert, ist aber so gut wie leer, die wenigen (750 Wohnungen sind bewohnt), die hier Wohnungen gekauft haben, möchten sie so rasch wie möglich loswerden.
Aber Sesena war eigentlich als Spekulationsbau gedacht, wie viele andere Projekte in Spanien. Allein 2007 wurden 600.000 neue Wohnungen gebaut, zwischen 2001 und 2006 waren es fast 5 Millionen (mehr als in Frankreich, Deutschland und Italien zusammen), insgesamt stehen geschätzt 3 Millionen leer. Die Hypothekenbelastung der spanischen Haushalte liegt bei durchschnittlich 140.000 Euro, in den Hochburgen des Immobilienbooms (Aragon und Katalonien) stehen 68% aller Immobilien zum Verkauf.
Der Zwang zum Eigentum
In Ländern wie den USA, Großbritannien, Spanien (und auch Dänemark) herrscht Eigentum an Wohnraum vor. Oft gibt es auch gar keine Alternative, weil Mietwohnungen nicht angeboten werden.
Häuser oder Wohnungen sind aber zu teuer, um eigenfinanziert erworben werden zu können. Deshalb werden in der Regel dafür Kredite aufgenommen, die wiederum über eine Hypothek am diesem Wohnungseigentum abgesichert werden.
Somit handelt es sich um „Scheineigentum“, denn solange die Hypothek das Haus, die Wohnung belastet, gehört es, sie nicht wirklich dem „Eigentümer“, sondern der Bank, die den Hypothekarkredit vergeben hat.
Überall dort, wo Wohnen im Eigentum (und nicht zur Miete) Standard ist, entwickeln sich ähnliche Szenarien: Die Häuser werden auf Hypothekarkredit gebaut, sobald die Kreditrückzahlungen steigen (und womöglich noch Einkommensverluste dazu kommen), können die Raten nicht mehr bezahlt werden. Es kommt zu Zwangsversteigerungen, Delogierungen und einem massiven Verfall der Immobilienpreise.
Großbritannien: 70% der Haushalte leben in den „eigenen vier Wänden“, und die finanzielle Absicherung besteht eben aus diesen Eigentumswohnungen und -häusern. Seit 1996 stiegen die Häuserpreise im Landesdurchschnitt um 227%, die Löhne bloß um 18%. So kamen viele Briten auf die Idee, ihre soziale Position durch Hauskauf zu verbessern: Mit einer Hypothek wurde ein Haus gekauft, die ersten Raten bezahlt, und dann durch Belehnung des „neuen Eigentums“ der nächste Kredit aufgenommen. Aufgrund des Lohnarbeitseinkommens hätten sich viele Briten ihren Lebensstandard längst nicht mehr leisten können.
Solange die Immobilienpreise stiegen, fiel die damit einhergehende private Verschuldung nicht ins Gewicht. Jetzt aber: mit steigenden Kreditzinsen und sinkenden Immobilienpreisen müssen viele Briten ihr Haus/ihre Wohnung verkaufen, um sie gleich danach anzumieten. Das läuft über Immobilienhändler, die somit Schnäppchen erwerben.
1989/90 erlebte Großbritannien eine ähnliche Situation von „negative equity“ („negatives Eigenkapital“, d.h. die Hypothek auf das Haus übersteigt den Marktwert des Hauses). Damals – bis 1995 – wurde „negative equity“ für 1 bis 1,5 Millionen Haushalte zur Realität.
Bereits seit 2006 warnte die OECD, dass die Häuserpreise in GB spekulativ hoch getrieben wurden (um 1/3) und daher diese Blase platzen würde.
USA: Bis Jänner 2007 konnten in den USA bereits 2,2 Millionen Haushalte ihre Hypothekenraten nicht mehr bezahlen.
Auch in den USA – und hier vermutlich am stärksten – wurde mangelnde Lohnerhöhung bzw. Reallohnverlust durch Kreditaufnahme ausgeglichen, um den Lebensstandard halten zu können. Die immer laxer werdenden Sicherheitsbestimmungen bei Krediten führten zu einer massiven Verschuldung der Privathaushalte – deren Konsum war die Hauptursache für die anhaltende weltweite Konjunktur. Aber diese Konjunktur war nicht auf Kaufkraft, sondern auf Kredit gebaut.
Der „Zwang zur Anlage“ (=Akkumulation)
Fonds sammeln Gelder von Privaten oder Unternehmen, etwa Pensionsfonds, um diese gewinnbringend anzulegen – dieser Zwang besteht per definition der Fonds. Diese Anlagen sind in der Regel langfristig und daher eignen sich derartige Fonds für große Ausgaben, wie Firmenaufkäufe (private equity fonds), Immobilienveranlagung – und zur Absicherung der Risiken von Banken.
Pensionsfonds
Pensionsfonds verwalten Gelder aus privater Altersvorsorge. D.h. sie legen oft langfristig an, wobei die Veranlagungsvorschriften (in Deutschland) liberaler sind als bei Lebensversicherungen. Der AMB Generali Pensionsfonds beispielsweise, gegründet 2002, veranlagt vor allem in hauseigenen Investmentfonds.
Investmentfonds
Bleiben wir bei Generali Deutschland, die „Generali Deutschland Kapitalanlageges.m.b.H.“ agiert hier als Investmentfonds (beachte „Ges.m.b.H.“). Sie verwaltet über 75 Mrd. Euro und ist damit einer der größten Fonds in Deutschland. Über 90% der Einlagen kommen aus Generali-eigenen Unternehmen, die GmbH ist also eine Auslagerung der eigenen Geschäftstätigkeit.
Die „Generali Investments Deutschland“, die Teil der Generali Investments S.p.A. in Triest ist, verwaltet 270 Mrd. Euro.
Österreich: „Wohlstandsfonds“ Ärztekammer Niederösterreich: Mittel dieses Fonds, der die Pensionseinzahlungen von 6.700 Pflichtmitgliedern (ÄrztInnen) verwaltet, werden in Wertpapieren und Immobilien investiert, zur Zeit etwa 200 Mill. Euro.
Geschäfte mit Krediten – die Streuung des Risikos
Die Hypothekarkredite werden von den Kreditgebern „gebündelt“ (d.h. sie werden kategorisiert und dann als Wertpapiere auf den Markt gebracht), wenn Banken solche Kredite kaufen, so versichern sie sich gegen das Risiko, dass sie nicht einbringbar werden. Typische „Risikonehmer“ dafür sind Versicherungen und Fonds (Investment-, Pensions- und Hedgefonds).
Weiters gründen Banken eigene Fonds, um so die riskanten Geschäfte aus ihrer Bilanz zu kriegen. Diese Fonds geben Wertpapiere aus und finanzieren sich so über den Markt.
Die Bewertung dieser Fonds bzw. Kredite liegt bei den Rating-Agenturen, die aber von ihren Auftraggebern (also denen, die sie bewerten sollen) bezahlt werden und daher in deren Interesse bewerten, was zu Fehlbewertungen führt.
Durch diese Maßnahmen „streuen“ die Banken das Risiko nicht einbringlicher Kredite, indem sie Versicherungen und Fonds daran beteiligen.
So nebenbei verschleiern die Banken das Risiko uneinbringlicher Kredite. Diese Risiken müssen sie bei ihren eigenen Geschäften ausweisen, indem sie aber diese Geschäfte in eigene Fonds-Firmen auslagern, entfällt diese Ausweispflicht. Das ist einer der Gründe, warum die Banken einander nicht mehr trauen – weil sie genau wissen, dass sie selbst „Leichen im Keller“ haben.
Die subprime-Krise holt die Leichen an’s Tageslicht
Finanzkrise
15.6.2007 Beginn der „subprime“-Krise: An diesem Tag stuft „Moody’s“ (eine der wichtigsten Rating-Agenturen) 131 Bewertungen von Wertpapieren herunter, und dabei bleibt es nicht. Somit sind diese Papiere weniger wert, und damit drücken sie auf die Bilanzen derer, die sie halten. Einzelne Banken geben daher Gewinnwarnungen heraus. Das Vertrauen, dass die Fonds, wie sie es eigentlich müssten, jederzeit zahlungsfähig sind, geht verloren.
Deutschland, 30.7.07 Der Fonds Rhineland ist zahlungsunfähig, seine Muttergesellschaft, die IKB-Bank, muss für ihn einspringen, aber auch sie hat nicht genug Eigenkapital. Daher versucht sie, bei anderen Banken Kredite aufzunehmen, was die aber wegen des Risikos verwehren. Der Zusammenbruch der IKB wird nur durch das Eingreifen einer Miteigentümerin der IKB, der KfW, verhindert.
Die KfW ist eine quasi-staatliche Bank in Deutschland, die inzwischen Milliarden in die IKB gesteckt hat, um deren Zusammenbruch zu verhindern. Weiters hat sie Gelder aus dem Rettungstopf der Bundesregierung bekommen. Der Kurs der IKB ist innerhalb kurzer Zeit von 28 auf 8 Euro gefallen.
In der Folge geraten weitere Banken ins Trudeln, und Fonds erhalten praktisch keinerlei neuen Kredite mehr von den Banken, weil das Risiko zu hoch erscheint. Die Fonds veranlagen aber oft langfristig und sind daher auf kurzfristige Kredite, um Auszahlungen vornehmen zu können, angewiesen. D.h. sie sind akut vom Zusammenbruch bedroht.
Krise der Bauindustrie
USA
Im Sommer 2007 wurden in den USA 834.000 Einfamilienhäuser verkauft (d.h. vor allem auch: gebaut), das waren 40% weniger als noch zwei Jahre davor. Der Bauboom davor war laut Einschätzung von Wirtschaftsexperten für etwa die Hälfte der Konsumausgaben und ein Drittel der neu entstandenen Arbeitsplätze verantwortlich.
Besonders betroffen von der Krise waren die Immobilienentwickler. Pulte Holmes (Michigan), der zweitgrößte Häuserbauer der USA (Jahresumsatz 2006: 14,7 Mrd. Dollar), er entwickelt ganze Wohngebiete mit Hunderten von Häusern, verkaufte im 2. Quartal 2007 nur noch Häuser für zwei Mrd. Dollar, im Vorjahr waren es noch 3,4 Mrd. Dollar gewesen. Wegen der Immobilienkrise entließ der Konzern im 2. Quartal 2007 rund 1.000 MitarbeiterInnen (Gesamtanzahl der MitarbeiterInnen Ende 2006: 13.400).
Im August 2007 machten aber auch viele Unternehmen die Immobilienkrise für ihren Geschäftsrückgang verantwortlich, die nicht direkt mit dem Häuserbau beschäftigt sind:
Burlington Northern Santa Fe Corp., eine Eisenbahngesellschaft, meldete einen Gewinnrückgang um 8,1% und nannte als Grund dafür vor allem niedrigere Transportaufträge von Baufirmen.
Caterpillar, ein Baumaschinenhersteller, verzeichnete einen Gewinneinbruch von 21%.
DuPont, ein Chemiekonzern, klagte über eine sinkende Nachfrage bei Folien zum Abdichten von Baustellen und Kunststoff-Arbeitsplatten für die Küche.
Spanien
Martinsa-Fadesa besitzt mehr als 170.000 Wohnungen und fast 29 Millionen Quadratmeter Bauland, die Immobilien waren einst 10 Mrd. Euro wert. Doch 2008 ging die Nachfrage um 30% zurück, und einen ebenso hohen Preisverfall bei Immobilien erwarten Experten in den kommenden Jahren. Rund eine Million Wohnungen finden derzeit in Spanien keinen Abnehmer, die Immobilienbranche hat derzeit geschätzte Schulden von 250 bis 300 Milliarden Euro. Fadesa ist inzwischen mit Schulden von 5 – 7 Mrd. Euro in Konkurs gegangen.
Der Bausektor war in Spanien für bis zu 18% des BIP verantwortlich. Nun drohen 1 Million Arbeitsplätze am Bau verloren zu gehen.5
Schlussfolgerungen
* Die niedrigen Leitzinsen und der damit einhergehende Boom an privaten Wohnungskäufen/Häuserbauen sowie die Belehnung der eigenen Immobilie wurde (z.B. in den USA) von der Klasse als Ersatz für fehlende Lohnerhöhungen betrachtet. So konnte weiter konsumiert und der Lebensstandard gehalten werden – scheinbar, wie sich nun zeigt.
* Für das Kapital bedeutete diese Aufrechterhaltung des Lebensstandards die Möglichkeit, Lohnkosten zu sparen, und gleichzeitig Profite realisieren zu können (denn die Massenkaufkraft war ja weiterhin vorhanden – scheinbar, wie sich nun langsam zeigt).
* Langfristige Rücklagen der ArbeiterInnenklasse, das sind vor allem die Pensionseinzahlungen, nutzt das Kapital als Kredit. Diesen Krediten steht aber keine Massenkaufkraft gegenüber (die Klasse „spart“ ja, indem sie in die Fonds einzahlt), und daher kann die über die Kredite erweiterte Produktion nicht als Profit realisiert werden.
* Für die Klasse bedeuten die Zusammenbrüche dieser Fonds einen realen Einkommensverlust, nämlich Verlust der Pension (bei uns Zusatzpensionen, in den USA und anderswo die einzige Pension). Das Sparen hat die Klasse schließlich verarmt.
* Die Dynamik der Pensionsfonds lässt sich relativ leicht umgehen, etwa durch das Umlageverfahren, wie wir es in Österreich kennen: die Klasse spart nicht, jedeR für sich, für schlechtere Zeiten (nämlich die Pension), sondern verhält sich jederzeit solidarisch (nämlich Arbeitende erhalten PensionistInnen).
* Die Dynamik der Überproduktion lässt sich allerdings nicht umgehen, denn der jederzeit angeeignete Mehrwert, der in Rationalisierungen gesteckt wird, entlässt auf der einen Seite ArbeiterInnen bzw. drückt auf die Löhne (d.h. sinkende Massenkaufkraft) und schafft auf der anderen Seite noch mehr Waren, denen nun keine entsprechende Nachfrage gegenübersteht.
* Der Immobilienboom der letzten Jahre, die Privatisierungen, die Umstellungen auf Fonds bei Pensionen, Abfertigungen etc., die Krisen bzw. die absolute Verarmung der Peripherie haben eine Überproduktionskrise in den Metropolen eine Zeitlang hinausschieben können, sie haben sie aber nicht verhindern können, weil die Kapitalakkumulation und die Rationalisierung weitergegangen sind. Die Senkung der Leitzinsen seit 2001 war quasi ein letzter Versuch, diese Krise hinauszuzögern.
* Die Krise ist eine typische Überproduktionskrise, die bloß im Finanzsektor begonnen hat, sie muss aber auf die Produktion übergreifen. Die erste Auswirkung ist hier die Krise im Wohnungsbau, weitere müssen folgen.
* Überproduktionskrisen werden durch Vernichtung von Produktionsstätten und Waren, durch Zentralisation (Firmenkonzentration) und durch weitere Verarmung der Klasse bereinigt. Genau das steht uns als nächstes bevor. – Falls das nicht hilft, hilft nur Krieg, und dazu sagen Kapitalisten:
„Kauft Aktien, wenn Kanonen donnern
Anmerkungen
1 Wobei die Auswirkungen der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA oft übertrieben dargestellt wurden. Sie wurden – auch – als Rechtfertigung für den Abschwung benutzt, der tatsächlich durch das Platzen der dotcom-Blase ausgelöst worden war.
2 Einerseits herrscht tatsächlich eine Nachfrage nach Krediten, weil die Einkommenszuwächse stagnieren – oder die Einkommen real sinken. Andererseits unternehmen die Banken alles, um Kredite verkaufen zu können, weil sie kaum mehr andere Anlagemöglichkeiten haben.
3 Mit der Entwicklung der entsprechenden Derivate wird das Risiko für nicht einbringliche Kredite an Dritte weitergegeben und damit fallen alle Hemmungen, unbesicherte Kredite zu vergeben.
4 Der Artikel stammt vom 9. November 2008, und somit sind einige Zahlen inzwischen zu revidieren. Anfang April 2009 senkte die EZB die Leitzinsen auf einen historischen Tiefstand auf nunmehr 1,25% und folgte damit, wenn auch zögernd, dem Beispiel der USA. Der Leitzins der Fed liegt inzwischen bei 0 – 0,25%. Das Handelsblatt (www.handelsblatt.com) kann darüber nur müde lächeln und sieht bereits eine europäische „Nullzinspolitik“ voraus.
5 Im Februar 2009 betrug die Arbeitslosigkeit in Almería bereits 25%, in Spanien insgesamt 14%. In 800.000 Familien sind alle Familienmitglieder arbeitslos, die Kleine Zeitung (www.kleinezeitung.at) berichtet von einer sechsköpfigen Familie (die Kinder zwischen 17 und 25 Jahren), die von 1.150 Euro monatlich leben muss, wovon die Hälfte für die Rückzahlung des Hauskredits draufgeht.