http://www.citizen-soldier.org/CS07-Camilo.html, Übersetzung: Info-Verteiler
US-Wehrdienstverweigerer
Sergeant Camilo Mejia aus Miami, Florida, trat 1995 in die US-Armee ein, weil er dadurch Assistent an einem College werden und neue Erfahrung sammeln wollte. Nach drei schwierigen Jahren in der regulären Armee schloss er sich der Florida National Guardan, teilweise, weil ihm die Unterstützung an den staatlichen Universitäten in Florida versprochen worden war. Mejia ist nicaraguanischer Staatsbürger und war zusammen mit seiner Mutter dauerhaft in die USA übersiedelt, als er 18 war. Er ist permanenter Einwohner der USA und hat eine green card[dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung].
Einsatzbefehl
Er begann gerade mit seinem ersten Semester am College, als im Jänner 2003 seine Einheit einberufen wurde. Seine Einheit, die C-Kompanie, 1-124 INF der 53. Infanterie-Brigade, wurde nach Fort Stewart zum Vorbereitungstraining geschickt. Dort bemerkte Stewart Mejia, der Schwadronführer war, dass jeder Reservist jeden Test „bestand“, sogar wenn seine Leistungen kläglich waren.
In Camilos Worten: „Das Training in Fort Stewart zielte vor allem darauf ab, unsere Einheit verlegbar zu machen. Ein Soldat wird nicht verlegt, wenn er physische Tests nicht besteht. Ich kannte einen Soldaten, dessen Gehör nach vielen Jahren bei der Artillerie schwer geschädigt war. Aber das spielte keine Rolle; sie kreuzten das bestanden-Viereck auf seinem medizinischen Formular an. Eine andere Anforderung war, dass wir uns an unseren Gewehren bewähren mussten. Nach einigen Versuchen an den Schießständen konnten sich viele Soldaten noch immer nicht qualifizieren, aber sie wurden alle als qualifiziert bewertet. Nicht ein einziger Soldat wurde nach diesen Tests zurück geschickt. Jeder Soldat bestand jeden Test.
Während der Parade des Battaillons erklärte uns unser Kommandant, ein Leutnant-Colonel, dass er nicht ohne eine im Kampf erworbene Medaille nach Florida zurück kehren werde, eine Medaille, die nur Infanteristen, die unter direktem Feindbeschuss lagen, verliehen wird.“
Im Mittleren Osten
Nach einigen Wochen des Trainings wurde Camilos Einheit in ein Land des Mittleren Ostens geflogen, sie durften nicht sagen, in welches. Nach dem Dienst dort, bei dem sie eine Raketenbasis für Patriot-Raketen bewachten, wurden sie im April 2003 in den Irak verlegt.
Camilo: „Am 30. Mai geriet meine Schwadron das erste Mal in einen Hinterhalt im Ostteil von Ar Ramadi, die Gegend wurde das ,sunnitische Dreieck‘ genannt. Wir hörten ein Pfeifen, als wir ein Gebiet durchstreiften, das bekannt war wegen der zerbombten Gebäude. Als nächstes explodierte eine Bombe auf der Straße vor unserem anführenden Hum Vee [US-Army-Fahrzeuge, Nachfolger der Jeeps]. Vor diesem Angriff instruierte ich meine Schwadron in dem, was ich unter Standardoperationsverhalten begriff. Das heißt, falls wir in einen Hinterhalt geraten sollten, sollten wir ‚unsere Ärsche retten‘, während wir das Feuer aus unseren Waffen erwiderten. Nach der Explosion regnete es Kugeln von den Dächern zu beiden Seiten der Straße, als wir aus dem Gebiet abhauten.
Zurück in der Basis waren wir heilfroh, dass niemand beim Angriff verletzt worden war. Meine Kommandanten, XO und der 1. Sergeant, wollten sofort einen Bericht. Als ich ihnen erzählte, was geschehen war, fragten sie mich, warum wir geflohen seien, anstatt zu bleiben und zu kämpfen. Ich erklärte ihnen, dass es VorschriftfürStandardoperationsverhalten sei, zu versuchen, einem Angriff zu entkommen. Sie stimmten mit mir überein, fügten aber hinzu, dass wir den Angreifern das falsche Signal gesandt hätten, denn unsere Mission sei es nicht, vor dem Feind davon zu laufen, sondern ihn zu töten. Am nächsten Morgen erklärte uns unser Kommandant, dass wir in Zukunft nicht unser ‚Versagen‘ feiern sollten und dass das Feiern unseres Entkommens die falsche Nachricht an die Soldaten sendet.
Mir dämmerte, dass der Schutz unserer Truppen in der Agenda unserer Führer nicht sehr weit oben stand. Medaillen, Ruhm und ‚Verschicken der richtigen Nachricht‘ waren allesamt mehr wert als die Leben einiger Soldaten. Das war komplizierter als ich mir vorgestellt hatte. Nicht nur, dass wir gegenüber unseren Feinden auf der Hut sein mussten, wir mussten auch vor unseren eigenen Führern auf der Hut sein.“
Soldaten 2. Klasse
„Nach meiner Erfahrung wurde unsere Einheit von aktivierten Reservisten anders behandelt als aktive GIs. Wenn beispielsweise einer unserer Soldaten verwundet oder getötet wurde, erhielten wir keinen Ersatz. Genau so war es mit Nachschub und Ausrüstung. Wir wurden niemals wirklich mit Munition, Waffen, Fahrzeugen, Nachtsichtgeräten etc. versorgt, wir reisten nur mit einer minimalen Kampfausrüstung und wurden nicht versorgt. In manchen Fällen mussten wir Munitionsmagazine innerhalb unserer Einheit tauschen, ehe wir auf eine Mission gehen konnten. Als ein improved explosive Device(IED) eines unserer Fahrzeuge in die Luft jagte, erhielten wir kein neues.
Mich störte auch, dass uns nicht erlaubt war, die Messe unserer übergeordneten Einheit, der 82. Airborne Division, zu benutzen. Meiner Meinung nach hätten wir gleichbehandelt werden müssen, weil wir alle die selben Risiken auf uns genommen haben.
Diese Personalkürzung brachte meine Kommandanten auf einige verabscheuungswürdige Ideen. Der Soldat, den ich bereits erwähnt habe, der mit dem Gehörschaden, verblieb in der Einheit, obwohl eine IED-Explosion sein Gehör noch verschlechtert hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich ihm nach einem Treffen unserer Schwadronführer meine Aufzeichnungen gegeben habe, weil er die Ausführungen unseres Schwadronführers nicht hören konnte, obwohl er nur einige Schritt von ihm entfernt saß. Das hat direkt sein Können als Truppenführer beeinträchtigt. Er hat nicht darum angesucht, heimgeschickt zu werden, aber er fragte die Ärzte um eine Gehörhilfe. Einer unserer Ärzte erklärte ihm, dass er ihm aus den Augen gehen solle und warten solle, bis unser Einsatz vorbei sei.
Einem Soldaten, dessen Stiefmutter im Sterben lag, wurde die Erlaubnis zur Heimkehr verweigert, während die Anfrage eines anderen, der seine 13jährige Tochter, die soeben vergewaltigt worden war, besuchen wollte, ebenfalls negativ beantwortet wurde.“
Wie man Kriegsgegner wird
„Als ich mit eigenen Augen sah, was Krieg Menschen antun kann, begann mit mir eine echte Veränderung. Ich habe das Leiden eines Volkes gesehen, dessen Land in Schutt und Asche liegt und das weiterhin durch die Razzien, die Patrouillen, die Ausgangssperren einer Besatzungsarmee erniedrigt wird. Meine Erfahrung dieses Krieges hat mich für immer verändert.
Einer unserer Sergeanten schoss auf einen kleinen Jungen, der ein AK-47-Gewehr trug. Die beiden anderen Kinder, die mit ihm gingen, rannten davon, während das verletzte Kind um sein Leben zu krabbeln begann. Ein zweiter Schuss stoppte es, aber es war noch immer am Leben. Als ein Iraker versuchte, ihn in ein ziviles Spital zu bringen, fingen ihn Armeeärzte ab und bestanden darauf, dass das verletzte Kind in eine militärische Anlage gebracht werde. Hier wurde ihm die medizinische Versorgung verwehrt. Nachdem eine weitere medizinische Einheit sich weigerte, das Kind zu behandeln, starb es.
Einmal antwortete meine Einheit auf einen politischen Protest in Ar Ramadi, der gewalttätig geworden war, mit Gewehrfeuer. Meine Gruppe bezog eine defensive Position auf einem Dach, nachdem einige De­mons­trantIn­nen damit begannen, Granaten gegen das Büro des Bürgermeisters zu schleudern. Wir wurden angewiesen, jeden zu erschießen, der etwas warf, das nach einer Granate aussah. Ein junger Iraker tauchte aus der Menge auf, er trug etwas in seiner rechten Hand. Bevor er es warf, eröffneten wir das Feuer und töteten den Mann. Es stellte sich heraus, dass das Objekt eine Granate war, die weit entfernt von Menschen explodierte. Ich weiß, dass der Mann, den wir töteten, keine Chance hatte, uns zu verletzen – er war viel zu weit weg. Mein Truppführer erklärte uns später, dass wir drei weitere Iraker getötet hätten während dieser Demonstration, obwohl ich nicht sah, wie sie starben.
Ich lernte auch, dass die Todesangst die Macht hat, Soldaten in wahre Mordmaschinen zu verwandeln. In einer Kampfumgebung wird es nahezu unmöglich für uns, sich Dinge zu überlegen wie strikte Selbstverteidigung oder genug Kräfte einzusetzen, um einen Angriff zu stoppen.“
Heimkehr
Meine Heimkehr im Oktober 2003 gab mir die Gelegenheit, meine Gedanken zu ordnen und darauf zu hören, was mir mein Gewissen sagte. Die Leute fragten mich nach meinen Erfahrungen mit dem Krieg und meine Antworten brachten mich zurück zu diesem Horror – den Schießereien, den Hinterhalten, der Zeit, als ich einen jungen Iraker sah, der an seinen Schultern durch eine Lacke seines eigenen Blutes gezogen wurde, der Zeit, als ein Mann von unserem Maschinengewehrfeuer enthauptet wurde und der Zeit, als mein Freund ein Kind durch eine Kiste durch erschoss.
Meine Heimkehr gab mir die Klarheit, die Trennlinie zwischen militärischer Pflichterfüllung und moralischer Verpflichtung zu sehen. Meine Gefühle dem Krieg gegenüber waren bestimmt davon, dass ich nicht länger Teil davon sein konnte. Nach meinen eigenen Prinzipien zu agieren wurde unvereinbar mit meiner Rolle im Militär, und indem ich meine Waffen niederlegte, zog ich es vor, wieder ein menschliches Wesen zu werden.“
Kapitulation vor dem Militärdienst: Herausforderung des Krieges
Am 15. März 2004 sprach Sergeant Mejia bei einer öffentlichen Kundgebung/Pressekonferenz an der Peace Abbeynahe Boston, und stellte sich danach den Militärbehörden. Nachdem er einmal einer militärischen Basis zugeteilt ist, wird das Kommando entscheiden, ob er wegen krimineller Delikte angeklagt wird oder ob er administrativ behandelt wird. Mejia könnte sowohl wegen Desertion als auch wegen „mangelnder Pflichterfüllung“ angeklagt werden. Die Höchststrafe für jedes dieser Delikte liegt bei fünf Jahren Gefängnis. Er könnte auch unehrenhaft entlassen werden. Wenn er vor Gericht gestellt wird, werden Citizen Soldierihre Expertisen anbieten, um zu bezeugen, dass die US-Invasion und die Besetzung des Irak internationales Recht verletzen, darunter die UNO-Charta. Zusätzlich wird Mejia einen Antrag auf Entlassung aus der Wehrpflicht aus Gewissensgründen stellen.
Gegen den Krieg
Als erster amerikanischer Veteran des Irak-Krieges, der öffentlich seinen weiteren Dienst verweigerte, hat Sergeant Mejia seinen Widerstand in CBS, Canal TV (Frankreich), CNN etc. diskutiert. Er wird weiterhin den Widerstand gegen diesen illegalen Krieg unterstützen.