http://www.antiimperialista.com/repression, Ergänzungen:Infoverteiler anhand von Il Manifesto, 27.4.2004 und www.heise.de/tp
Zu den Verhaftungen von GenossInnen der DHKP-C und AIK in Italien und in der Türkei
Die Operation der Staatsanwaltschaft Perugia vom 1. April, die zur Verhaftung dreier Genossen der AIK (der internationale Sprecher Moreno Pasquinelli, Alessia Monteverdi und Maria Grazia Ardizzone), sowie zweier türkischer Exilanten und angeblichen Mitgliedern der DHKP-C (Avni Er und Zeynep Kilic) geführt hat, erscheint immer deutlicher als Angriff auf elementare demokratische Rechte.
Der politische Angriff auf die beiden Organisationen steht juristisch auf sehr wackligen Beinen.
Nach knapp einer Woche haben wir Zugang zum Haftbefehl gegen die Aktivisten des AIK erhalten.
Wir beginnen mit einer echten Perle: Den drei Genossen wird vorgeworfen, Teil der „türkischen Organisation DHKP-C“ zu sein „die Akte der Gewalt mit dem Ziel des Terrorismus und des Sturzes der demokratischen Ordnung in der Türkei und andernorts verübt.“
Moreno, Alessia und Maria-Grazia gehören also zur DHKP-C, während das türkische Militärregime offensichtlich die „demokratische Ordnung“ darstellt.
Die Mitgliedschaft in der DHKP-C besteht dabei scheinbar aus „folgenden Taten“:
Maria Grazia Ardizzone, „Scheinehe mit Er Avni mit dem Ziel den Aufenthalt auf italienischem Territorium zu begünstigen und ihn vor der Gefahr einer Abschiebung aus dem Staatsterritorium in Schutz zu nehmen“, „zur Verfügung stellen einer Telefonwertkarte“, „über ihren Namen Geldüberweisungen an Er Avni ermöglicht“.
Moreno Pasquinelli, „war gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Alessia Monteverdi, Trauzeuge bei der Ehe von Er Avni mit der Ardizzone“, „zur Verfügung stellen einer Telefonwertkarte“, „ermöglichen dass Er Avni eine Wohnung in Perugia verwendet“, „über seinen Namen Geldüberweisungen an Er Avni ermöglicht.“
Alessia Monteverdi, „Er Avni geholfen eine Wohnung in Foligno zu finden“; „Trauzeugin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Moreno Pasqinelli bei der Ehe von Avni Er mit der Ardizzone“, „zur Verfügung stellen einer Telefonwertkarte“, „Avni Er geholfen Arbeit zu finden, mit dem Ziel seinen Aufenthalt auf dem nationalen Territorium möglich zu machen, und hat damit beigetragen, dass er ein unauffälliges Leben führen kann.“
Die Verteidigung hat festgehalten:
1. Die drei Angeklagten sind und waren niemals nicht Teil der DHKP-C.
2. Ihre Aktivität besteht aus der politischen Unterstützung und internationalen Solidarität mit politischen Exilierten, die in ihrem Land schweren Gefahren ausgesetzt sind.
3. Die DHKP-C ist keine terroristische Organisation. Sie kann als solche nur nach der Logik der „Schwarzen Liste“ definiert werden, welche einen Bruch des Völkerrechts darstellt.
4. Der Begriff „Terrorismus“ hat nichts mit den Kämpfen um nationale Befreiung zu tun.
5. In der Türkei ist ein Militärregime an der Macht, das systematisch alle demokratischen Rechte bricht, zuvorderst jene der Kurden.
6. Die DHKP-C beschränkt sich in Europa explizit und eindeutig auf Methoden der politischen Aktion und führt eine ständige Kampagne für die politischen Gefangenen in der Türkei, die dort unter den schlimmen Bedingungen der Isolation inhaftiert sind.
Ein kurzer Blick auf die Haftbedingungen:
Allen Inhaftierten wurde fünf Tage lang der Kontakt mit ihren Anwälten verwehrt. Moreno Pasquinelli wurde total isoliert, er durfte weder Korrespondenz führen, noch wurde ihm auf Weisung des Justizmini­steriums die übliche Stunde Hofgang gestattet.
Nach Angabe der Anwälte handelt es sich dabei um eine völlig ungesetzliche Maßnahme – dazu wurde eine offizielle Beschwerde bei der Magistratur und der Gefängnisdirektion von Rebibbia eingereicht. Eine weitere Berufung wurde auch für die Haftbefehle der türkischen Genossen vorgelegt.
Zum Schluss noch eine weitere Perle: die Sperrung der Internetseiten „Iraq Libero“ und „Voce Operaia“ wurde damit gerechtfertigt, dass diese „über die Aktivität der DHKP-C“ berichten.
Letzter Stand
Bei der Haftprüfungsverhandlung Ende April wurden die drei italienischen GenossInnen Moreno Pasquinelli, Alessia Monteverdi und Maria Grazia Ardizzone freigelassen, nicht jedoch Er Avni und Zeynep Kilic.
In den frühen Morgenstunden des 1.April waren fast zeitgleich zahlreiche Büros, Wohnungen, Kulturhäuser und Zeitungsredakti­onen in der Türkei, Italien, Deutschland, Belgien und den Niederlanden von der Polizei gestürmt worden. Insgesamt 61 Personen sollen im Anschluss daran festgenommen worden sein.
Nach Angaben der türkischen Gefangenenhilfsorganisation Tayad haben die Festgenommenen seit Jahren legale politische Arbeit geleistet und hatten nichts mit bewaffneten Aktionen zu tun. So befinden sich unter den Verhafteten Journalisten, Mitarbeiter eines Istan­buler Radiosenders und Musiker der bekannten linken Band Grup Yorum.
In Amsterdam wurde das Pressebüro Özgürlük durchsucht, dabei wurden zahlreiche Computer beschlagnahmt sowie eine Person festgenommen. Noch vor drei Jahren hatten sich belgische und holländische Behörden geweigert, gegen tatsächliche und vermeintliche Exilgruppen der DHKP/C vorzugehen. Begründet hatte man dies mit der mangelnden Rechstaatlichkeit in der Türkei. In konservativen türkischen Medien bezeichnete man die beiden Beneluxstaaten daraufhin als Rückzugsbasen des Terrorismus. Im Gegensatz dazu wurde Deutschland gelobt, die ebenso wie die Türkei die DHKP/C verboten hat und immer wieder Prozesse gegen vermeintliche Aktivisten führte.
Spätestens seit den Anschlägen von Madrid hat sich die harte Haltung auch in den übrigen Ländern durchgesetzt. Im europaweiten Antiterrorkampf ist die Türkei den übrigen EU-Staaten gleichgestellt. Für viele in den europäischen Ländern lebende kurdische und türkische Exilanten, die bisher wegen möglicher Verfolgungen in ihrem Heimatland nicht ausgeliefert werden konnten, ist das eine dunkle Perspektive.