AK Krise, 1070 Stiftgasse 8
Wechselkursentwicklungen
Untergangspakete
Die Staaten der Euro-Zone haben in den letzten Monaten Unsummen an Stützungen für ihre Bankensysteme bereitgestellt. Darunter fallen sowohl tatsächliche Stützungen, also „stille Beteiligungen“ an Banken, als auch Garantien für Spareinlagen u.ä.
Diese Maßnahmen sind nicht auf die Euro-Zonen-Länder beschränkt, vereinfacht setzen alle Länder, die es sich leisten können, solche und ähnliche Maßnahmen um. Doch diejenigen Länder, die sich solche Extravaganzen für „ihr“ Kapital nicht leisten können, bekommen Währungsprobleme, sprich diese Währungen fallen im Verhältnis etwa zum Euro.
Speziell in den osteuropäischen Ländern wurden große Summen an Krediten durch westeuropäische Banken vergeben. Diese Kredite wurden in Euro vergeben, und das bedeutet, dass die Kreditnehmer, wenn ihre eigene Währung im Vergleich zum Euro sinkt, mit erhöhten Kreditrückzahlungsraten konfrontiert sind.
Für diese Kreditnehmer besteht die Gefahr, dass ihre Kredite nicht mehr gedeckt sind, weil die Sicherungen niedriger bewertet werden als zum Abschluss des Kreditvertrages.
Damit werden diese Kredite „faul“ (d.h. zumindest teilweise nicht mehr gedeckt) und in Folge wird entweder der Kreditrahmen gekündigt, also der Kredit sofort zurückverlangt. Verzichtet die Bank auf die Kündigung des Kredits, so erhöht sie die Rückzahlungsraten. Hier kommt ein ähnlicher Kreislauf in Gang: die KreditnehmerInnen können sich höhere Rückzahlungsraten nicht leisten, sie verschulden sich weiter, bis der Kredit dann gekündigt wird.
De-Investitionen
Fallende Währungskurse rufen Notenbanken auf den Plan. Um dem Währungsverfall zu begegnen, verkaufen üblicherweise Notenbanken große Mengen an Devisenreserven. Eine weitere Maßnahme, die erst in den USA und mit Verspätung auch im Euro-Raum ergriffen wurde, sind Zinssenkungen. Für osteuropäische Länder bedeuten Zinssenkungen einerseits, dass einheimische Unternehmen an günstigere Kredite kommen. Auf der anderen Seite bewirken sie aber einen massiven Rückzug ausländischer Anleger, die zinsträchtigere Anlagemöglichkeiten suchen und die Verschuldung der betroffenen Länder in Devisen verstärken.
Auch hier gilt: Die Rückzahlung von Devisenschulden ergibt bei fallenden Währungskursen eine reale Erhöhung der Schuld, ein Szenario, mit dem „Entwicklungsländer“ bereits seit Jahrzehnten konfrontiert sind.
Zurück im Westen
Folge dieser Politik der „Stützungen heimischer Banken“ ist also ein verschärfter Einbruch der Konjunktur (besser: eine noch stärkere Rezession) in den osteuropäischen Ländern für Russland kommen stark gesunkene Preise für Rohöl und Erdgas hinzu.
Nun sind aber gerade die osteuropäischen Länder die bevorzugte Spielweise österreichischer und anderer westeuropäischer Banken. Die „Rettungspakete“, mit denen diese Banken am Leben gehalten werden, wirken zurück auf ihre Geschäfte, die eben in den osteuropäischen Staaten einbrechen und auf ihre „faulen“ Kredite, die sich so drastisch erhöhen.
Ein paar Zahlen
Ende Oktober 2007 vermeldete die FAZ noch, die osteuropäischen Währungen befänden sich gegenüber dem Euro auf einem Höhenflug. Das zu einem Zeitpunkt, da der Euro seinerseits gegenüber dem Dollar stark anstieg. Ausnahmen bildeten lediglich der russische Rubel, der Kursverluste hinnehmen musste, und der ungarische Forint, der sein Verhältnis zum Euro nicht änderte.1
Anderthalb Jahre später, Anfang Februar 2009, klang das völlig anders. Die Presse2berichtete vom rapiden Wertverlust von Rubel, Forint und Zloty. „Ausländische Investoren suchen das Weite und treiben die Abwärtsspirale damit weiter an.“ Mit Einsetzen der Weltwirtschaftskrise begannen Investoren, ihre Geldbestände aus den riskanten osteuropäischen Märkten abzuziehen. Damit erhöhte sich die fremde Schuldenlast in Euro und Dollar.
Um aber weiterhin Kredite, diesmal in einheimischer Währung, zur Bekämpfung der Rezession, die auf den Boom der vergangenen Jahre folgt, zur Verfügung zu stellen, senkten die Notenbanken die Zinsen. Das führte dazu, dass sich erst recht ausländische Kapitalgeber zurückzogen.
Die größte Region mit freien Wechselkursen in Osteuropa ist Polen. Der polnische Zloty erreichte seinen Höchststand im August 2008, bis Februar 2009 verlor er dann 29,6% an Wert gegenüber dem Euro (1 Euro = 4,60 Zloty) und sank damit auf den Stand von vor fünf Jahren.
Polnische Banken hatten große Kredite in ausländischer Währung aufgenommen (und weitergegeben). Zu Boom-Zeiten bedeutete das ein gutes Geschäft, doch mit dem Währungsverfall wurden die Kredite für viele unfinanzierbar, was wiederum die Banken vor Zahlungsprobleme stellt. Die Schweizer UBS-Bank empfahl bereits den Ausstieg aus osteuropäischen Banken, womit sie selbstverständlich das Problem bloß verschärfte.34
Die polnische Regierung möchte möglichst rasch der Euro-Zone beitreten, deshalb verzichtet die Zentralbank auf Interventionen (sprich Euro-Verkäufe). Stattdessen kündigte die Regierung ein Sparprogramm über 4,3 Milliarden Euro an. Das wird die Situation aber nicht mehr retten, denn für einen Euro-Beitritt bräuchte Polen 2 Jahre lang ein stabiles Verhältnis des Zloty zum Euro, und um das durchzuhalten, fehlen dem Land jetzt bereits die dafür notwendigen Devisenreserven.
Ungarn ist bereits jetzt hoch verschuldet und musste einen Notkredit des IWF in Anspruch nehmen. Dazu senkte die ungarische Regierung die Zinsen rasch ab, ohne verhindern zu können, dass der Forint auf den tiefsten Stand fiel, den er je gegenüber dem Euro hatte.
Russland konnte aufgrund seiner Erdöl- und Gasexporte in den vergangenen Jahren große Reserven an Petrodollars anlegen. Diese Zeiten sind angesichts der im letzten halben Jahr verfallenen Energiepreis vorbei. Und Russland hat bereits ein Drittel seiner Währungsreserven ausgegeben, um den Rubel halbwegs stabil zu halten.
In Zahlen ausgedrückt: seit dem 6.8.2008 betrug der Wertverlust gegenüber dem Euro beim
Polnischen Zloty 29,6%
Russischen Rubel 21,5%
Ungarischen Forint 19,6% und bei der
Tschechischen Krone 14,4%
Anfang März 2009 berichtete die FAZ5zwar, dass sich die Währungen in Osteuropa stabilisierten, wollte aber keine längerfristige Prognose abgeben. Tschechiens Automobilindustrie etwa profitiere von den Verschrottungsprämien in Westeuropa, aber nach einer schlimmen Rezession im letzten Quartal 2008 sei der private Konsum ebenfalls zurückgegangen.
Die Turbulenzen an den Devisenbörsen werden verstärkt vom anhaltenden Trend der Währungsspekulation. Im Internet wird dafür aktiv geworben, etwa unter „Devisen-Trader“5. Dort werden Traumgewinne von über 50% innerhalb weniger Tage versprochen. Insgesamt werden täglich an die 2 Billionen an den internationalen Währungsmärkten gehandelt.
Ausblick
Staatsbankrott
Laut Bundeskanzler Faymann (Interview in der Sonntags-Presse vom 15.3.2009) betragen die von österreichischen Banken in osteuropäischen Ländern vergebenen Kredite etwa 60% des österreichischen Brutto-Inlands-Produkts von ca. 280 Milliarden Euro im Jahr 2008, d.h. die offenen Kredite liegen bei ca. 170 Milliarden Euro. Insgesamt dürften die Kredite, die westeuropäische Banken in Osteuropa vergeben haben, bei 1 Billion Euro liegen.
Wenn das Wechselkursverhältnis zwischen dem Euro und den osteuropäischen Währungen gleich bleibt oder sich noch weiter zugunsten des Euro verschiebt, so laufen diese Staaten Gefahr, in den Staatsbankrott zu treiben.
Eine solche Entwicklung hätte sofortige Auswirkungen auf die Länder, in denen die in Osteuropa engagierten Banken beheimatet sind. Denn ein Ausfall von 50% der offenen Kredite würde den Rest des „Bankenrettungsschirms“ in Österreich (15 Milliarden Euro sind zur direkten Unterstützung gedacht, es verbleiben 85 Milliarden) verschlingen.
Damit wäre die Propaganda, dass der größte Teil des Rettungsschirms zur Absicherung der Sparguthaben dient, vom Tisch, und die Frage der Budgetfinanzierung vermutlich eine rhetorische. Sprich dann wäre auch für Österreich der Staatsbankrott eine Möglichkeit.
Nach derartigen Überlegungen versteht mensch die Beharrlichkeit von Kanzler und Vizekanzler, alle erdenklichen Institutionen auf die Unterstützung der osteuropäischen Länder zu vergattern es geht schlicht um ihren eigenen Kragen.
Schuldenfalle für die Schuldnerländer
Für die betroffenen Länder bedeutet das jahrzehntelange Elendsverwaltung mit IWF-Auflagen.
Die Bilanz der Strukturanpassungsprogramme (SAP) der letzten Jahrzehnte in Afrika, Asien und Lateinamerkika umfasst Kapitalflucht, Zusammenbruch von Fertigungen, marginales oder negatives Wachstum bei Exporterlösen, drastische Kürzungen städtischer öffentlicher Dienstleistungen, steigende Preise und einen starken Rückgang der Reallöhne.
Die absurde Logik dieses Wirtschaftsprogramms besteht darin, dass zunächst jeder Saft aus der unterprivilegierten Mehrheit der EinwohnerInnen gepresst wird, um die sterbende Wirtschaft ins Leben zurückzurufen.
Überall bot der IWF den armen Ländern den gleichen Giftkelch von Abwertung, Privatisierung, Abbau von Einfuhrkontrollen und Lebensmittelsubventionen an, setzte eine Kostendeckung im Gesundheits- und Bildungswesen und eine rücksichtslose Reduzierung des öffentlichen Sektors durch. Gleichzeitig richteten die SAPs die KleinbäuerInnen zugrunde, da Subventionen gestrichen wurden und sie friss oder stirb in von der Agroindustrie der Ersten Welt dominierte globale Rohstoffmärkte geworfen wurden.
Zusätzlich zu der direkten Senkung öffentlicher Ausgaben und der Reduzierung öffentlichen Eigentums setzten die SAPs die Verminderung staatlicher Handlungsfähigkeit durch, die aus ‚Subsidiaritätresultierte: der Übertragung von Befugnissen auf niedrigere Ebenen des Staates und insbesondere auf NGOs, die direkt mit größeren internationalen Hilfsorganisationen verbunden sind.
Die Mittelklasse verschwand zusehends und die Abfallhaufen der wenigen zunehmend Reichen wurden der Esstisch des vervielfachten Bevölkerungsanteils, der in bitterer Armut lebte.
In Kinshasa löschten die SAPs die Mittelklasse der öffentlichen Bediensteten aus und führten zu einem unglaublichen Verfall der Reallöhne, der wiederum eine albtraumhafte Zunahme der Kriminalität und kriminellen Gangs förderte. In Daressalam fielen in den 1980er Jahren die Ausgaben für öffentliche Dienstleistungen pro Person um 10 Prozent pro Jahr: praktisch die Demontage der kommunalen Verwaltung. In Khartoum brachten Liberalisierung und Strukturanpassung 1,1 Millionen ‚neue Armehervor, hauptsächlich aus den Gruppen der GehaltsempfängerInnen oder Beschäftigten des öffentlichen Sektors herausgelöst. In Abidjan, einer der wenigen Städte des tropischen Afrika mit einem bedeutenden Fertigungssektor und modernen städtischen Dienstleistungen, führte die Unterwerfung unter das SAP-Regime prompt zu Deindustrialisierung, dem Zusammenbruch des Bausektors und einem rapiden Niedergang des öffentlichen Nahverkehrs und der Sanitäreinrichtungen. In Nigeria metastasierte die extreme Armut zunehmend in Lagos, Ibadan und anderen Städten verstädtert, von 28 Prozent im Jahr 1980 auf 66 Prozent im Jahr 1996. Das BSP pro Kopf liegt mit ungefähr 260 $ heute unter dem Niveau zur Zeit der Unabhängigkeit vor 40 Jahren und unter dem im Jahr 1985 erreichten Niveau von 370 $.6
Eure Krise zahlen wir nicht
Für die Steuerzahlenden und von Transferleistungen Abhängigen sowohl in osteuropäischen Ländern als auch in der Euro-Zone (bzw. hierzulande) bedeutet die Abwendung dieses worst-case-Szenario, dass wir jahrelang, oder jahrzehntelang ein Sparpaket nach dem anderen schlucken werden müssen, um die Summen, die da verschoben werden, aufzubringen mit den bekannten Folgen:
Einschränkung der Massenkaufkraft bedeutet Senkung der Nachfrage nach Konsumgütern, was wiederum Einschränkung der Produktion und damit Senkung der Beschäftigtenrate bedeutet, womit wir zurück bei der weiteren Einschränkung der Massenkaufkraft wären.
Die ‚Lösungder Krise der 1980er durch IWF und Weltbank führte zu massenhafter Verarmung und Verelendung. Die Zahl der Slums, die für Millionen traditioneller StadtbewohnerInnen, die durch die Gewalt der ‚Anpassungvertrieben wurden oder verelendeten, eine unerbittliche Zukunft wurden, stieg auf mehr als eine viertel Million weltweit. Allein die fünf großen Metropolen Südasiens (Karatschi, Mumbai, Delhi, Kalkutta und Dhaka) umfassen ungefähr 15.000 verschiedene Slumgemeinden mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 20 Millionen. Eine noch größere Slumbevölkerung sammelt sich auf der verstädternden Küstenzone Westafrikas, während sich andere enorme Ballungsgebiete der Armut über Anatolien und das äthiopische Hochland ziehen, sich an die Basis der Anden und des Himalajas drängen, von den Wolkenkratzerkernen Mexikos, Johannesburgs, Manilas und São Paulos aus nach außen explodieren und ƒdie Ufer der Flüsse Amazonas, Niger, Kongo, Nil, Tigris, Ganges, Irawadi und Mekong säumen.7
Die Bereitstellung lebenswichtiger Infrastrukturen bleibt unterdessen weit hinter der Geschwindigkeit der Urbanisierung zurück und Elendsviertel in Standrandgebieten haben häufig keine formellen Versorgungs- oder Sanitäreinrichtungen irgendeiner Art.
Wie im frühviktorianischen London bleibt die Wasserverunreinigung durch menschliche und tierische Abfälle die Ursache der chronischen diarrhöischen Erkrankungen, die jedes Jahr mindestens zwei Millionen städtischer Babys und Kleinkinder töten. Geschätzten 57 Prozent der in Städten lebenden AfrikanerInnen fehlt der Zugang zu grundlegenden Sanitäreinrichtungen und in Städten wie Nairobi sind die Armen auf ‚fliegende Toiletten(Entleerung in eine Plastiktüte) angewiesen. In Mumbai drückt sich das Sanitärproblem in den ärmeren Bezirken wiederum in Verhältnissen von einer Toilette pro 500 EinwohnerInnen aus. Nur 11 Prozent der armen Wohnviertel in Manila und 18 Prozent in Dhaka verfügen über eine offizielle Abwasserentsorgung. Auch ohne Einbeziehung des Auftretens der HIV-/AIDS-Seuche nimmt die UN an, dass zwei von fünf afrikanischen SlumbewohnerInnen in einer Armut leben, die buchstäblich ‚lebensbedrohlichist.8
Die städtischen Armen sind unterdessen überall gezwungen, gefährliche und in anderer Weise unbebaubare Gebiete zu besiedeln übersteile Hänge, Flussufer und Überschwemmungsgebiete. Gleichermaßen lassen sie sich in den tödlichen Schatten von Raffinerien, Chemiewerken, Giftmülldeponien oder an den Rändern von Bahnstrecken und Schnellstraßen nieder.9
Unter der Voraussetzung, dass die Krise einen Paradigmenwechsel zugunsten einer revolutionären Perspektive bewirken könnte, fragt sich mensch, ob ein crash für uns nicht günstiger wäre als die Folgen einer Krisenlösung auf kapitalistisch.
Anmerkungen
1www.faz.net/s/Rub4B891837ECD14082816D9E088A2D7CB4/Doc~EEB9B4094242C4CECA4D2B7D3E16D3EC2~ATpl~Ecommon~Sspezial.html
2diepresse.com/home/wirtschaft/eastconomist/450585/index.do?_vl_backlink=/home/wirtschaft/eastconomist/index.do
3
4Die UBS hat bisher mehr als 40 Milliarden Dollar im US-amerikanischen Hypothekenmarkt verspielt, mehr als jede amerikanische Bank. Allein im 1. Quartal 2009 schrieb die Bank einen Verlust von 8 Milliarden Euro.
5www.devisen-trader.de/index_go.php?gclid=CP3w6q6pp5kCFQaA3godKy6EpQ
6Mike Davis, Planet der Slums
7ebd.
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