Redebeitrag des AK Krise bei der Kundgebung gegen Energiepreiserhöhungen am 18.12.2008
Frieren
Wenn hierzulande in diesem Winter hunderttausende Wohnungen und Häuser nicht ausreichend beheizt werden können, so liegt das sicherlich nicht daran, dass zu wenig Erdgas, Öl, Strom oder sonstiges Heizmaterial vorhanden sind. Es fehlt nicht an Energie.
Es sind schlicht die Energiepreise, die für immer mehr Menschen nicht leistbar sind.
Überproduktion
Die ArbeiterInnen in der Autoindustrie waren offensichtlich fleißig, es sind zu viele Autos am Markt. Als Belohnung für zahlreiche Überstunden, Schicht- und Nachtarbeit gibt’s jetzt ausgedehnte Betriebsurlaube, Kurzarbeit und massenhaft Entlassungen. Erst werden die LeiharbeiterInnen gefeuert, dann die Stammbelegschaft.
So werden ArbeiterInnen zu Arbeitslosen und damit gleichzeitig kaufkräftige KundInnen zu armen Schluckern.
Sie werden, wie immer mehr Menschen mehr auf dieser Welt, einfach zu wenig Geld haben, um sich Heizung, Lebensmittel, Autos, Wohnungen leisten zu können.
Obwohl, wie gesagt: es mangelt nicht an Heizmaterial, Lebensmitteln, Autos, Wohnraum.
Mangel im Überfluss
Neben den Glashäusern im spanischen Almería leben tausende ArbeiterInnen, die aus Afrika dorthin gezogen sind. Sie wohnen in Plastik- und Pappverschlägen. Und gleich um’s Eck stehen hunderttausende Häuser und Wohnungen leer.
Aber diese Häuser wurden als Anlageobjekte gebaut, und nicht, um ArbeiterInnen als Unterkünfte zu dienen.
Nach Spanien getrieben wurden diese ArbeiterInnen von dem Gemüse, das sie nun selbst dort züchten müssen: Das Gemüse findet sich neben Milch und Schweinefleisch aus EU-Ländern auf den Märkten im Senegal, in Gambia, in halb Afrika wieder. Mit Hilfe von EU-Subventionen wird es dort billiger verkauft, als die BäuerInnen in diesen Ländern es selbst produzieren können – die afrikanischen BäuerInnen bleiben somit auf ihrer Ernte sitzen, verlieren ihre Existenzgrundlage und sind zur Migration verdammt. Wenn also in Afrika Menschen verhungern, so nicht, weil es zu wenig Lebensmittel gibt.
Sie verhungern, weil der EU-Imperialismus ihre Lebensgrundlagen zerstört.
Es ist nicht so, dass Millionen Menschen auf der ganzen Welt plötzlich in Faulheit verfallen würden: sie verlieren schlichtweg ihre Jobs. Weil wir – angeblich – zu viel Güter haben. Tatsächlich fänden alle diese Güter ihre Verwendung, ließe man uns nur machen.
Aber: Diesen ganzen Reichtum haben wir nicht geschaffen, um gut leben zu können. Wir haben alle diese Güter bloß produziert, damit sie uns schließlich als Waren präsentiert werden. Und Waren sind nur Waren, wenn sie ein Preisschild tragen und gekauft werden.
Das ist die Logik des Kapitals, sein einziger Zugang: Möglichst viele Waren produzieren zu lassen, um sie zu verkaufen und damit Gewinne zu machen. Und nun bleiben diese Waren liegen, weil wir, ihre ProduzentInnen, zu wenig Lohn erhalten, in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, kurz: Weil wir uns diese ganzen Güter, die wir für ein gutes Leben bräuchten, nicht mehr leisten können.
Das sind unsere Bedürfnisse, sie sind vielfältig: Wohnen, Heizung, Essen, Trinken, Mobilität und noch viel mehr. Und die können wir nicht befriedigen, weil wir nicht für unsere Bedürfnisse produziert haben, sondern für das Verwertungsbedürfnis des Kapitals.
Und solange die Autos, die Wohnungen, die Lebensmittel Waren sind, werden sie von ihren Besitzern lieber vernichtet, als dass sie uns zum Konsum überlassen würden – wenn wir sie mangels Einkommen nicht kaufen können.
Obwohl wir sie, solange wir in Lohnarbeit stehen, selbst produziert haben. Wir: die ArbeiterInnen in den Automobilfabriken, die ArbeiterInnen auf den Feldern von Almería, die arbeitende Klasse weltweit.
Dass deshalb hunderttausende Haushalte in diesem Winter nicht ausreichend beheizt werden können, dass deshalb Menschen aus ihren Wohnungen geworfen werden, dass weltweit Millionen Menschen verhungern, weil sie sich nicht genug Essen kaufen können, Menschen an Krankheiten sterben, weil sie sich die Medikamente nicht leisten können – das ist unser realer Alltag, unsere reale Krise.All das stört die Kapitalisten nicht, das ist in ihrer Logik nicht die Krise.
Kapitalistische Kriseheißt: Waren sind unverkäuflich, Umsätze brechen ein, Aktienkurse fallen, Profite bleiben aus.
Für uns bedeutet das Entlassungen und weiter sinkenden Lebensstandard. Wir werden gezwungen, jahrelang ein Leben am Existenzminimum zu fristen. Aus der Geschichte wissen wir: Wenn das gegen ihre Krise nicht hilft, dann hilft ihnen nur Krieg.
Wenn dann wieder die Welt in Schutt und Asche liegt, dürfen diejenigen von uns, die dieses Massaker überlebt haben, sich auf das nächste Wirtschaftswunder wie in den 50er Jahren freuen.
Das sind perverse Spielregeln, unter denen zu leben wir gezwungen sind, die haben nichts mit gutem Leben zu tun. Es ist eher wie ein Pyramidenspiel. Wir kennen es: die ersten werden unglaublich reich, den Rest beißen die Hunde.
Solche Pyramidenspiele sind mit gutem Grund verboten, handelt es sich dabei doch schlicht um massenhaften, plumpen Betrug. Die große Ausnahme dabei ist unser Wirtschaftssystem, eben der Kapitalismus, denn hier verhält es sich genau umgekehrt: Verboten ist es vielmehr, dieses Spiel, ein Spiel mit dem Leben der Weltbevölkerung, zu beenden – was uns nicht daran hindern soll, es trotzdem zu versuchen.
Wir werden in gegenseitige Konkurrenz gezwungen auf der Suche nach Jobs, obwohl wir doch gemeinsam viel leichter produzieren könnten.
Wir sollen uns um die am Markt befindlichen Wohnungen streiten, wo es doch genug Wohnraum für alle gibt.
Wir sollen auf unsere migrantischen NachbarInnen losgehen, die doch – und noch viel schlimmer – unter dem gleichen Dilemma leiden wie wir selbst.
Wir haben überhaupt keinen Grund, Kriege gegen arbeitende Menschen und damit gegen uns selbst zu führen! Nicht für Öl aus dem Tschad, nicht für Heroin aus Afghanistan! Nicht für Profitinteressen. Nicht dafür, dass noch mehr Waren, die wir uns nicht leisten können, uns das Leben noch mehr zur Hölle machen!
Das Kapital braucht uns als Arbeitskräfteund KäuferInnen, und zwingt uns deshalb in diese Rollen. Und die, die nicht mehr gebraucht werden, werden mit allen Mitteln bekämpft.
Unsere Schlussfolgerung ist, dass wir uns diese kapitalistischen Verhältnisse längst nicht mehr leisten können. Wir brauchen dieses System nicht, das uns untereinander zu spalten versucht.
Für das Kapital ist das Geld das Schmiermittel, das dieses Werkel am Laufen hält. Für das Kapital zählen die Aktienkurse und die Profitrate. Wir dagegen wollen miteinander leben und gemeinsam produzieren. Wir wollen leben – und wir wollen die Güter, die wir geschaffen haben. Für uns bedeuten Geld, Warenwirtschaft und Kapitalismus die Mauer, die uns von diesen Gütern ebenso trennt wie voneinander.
Es hilft nur eines: Reißen wir die Mauern ein, die uns trennen!